Anubis 02 - Horus
allein bin?«
Einen Moment lang wirkte Isis einfach nur verdutzt, aber dann lachte sie und schüttelte nur noch heftiger den Kopf. »Und du bist noch verrückter, wenn du glaubst, dass ich dir …« Sie brach ab, und ihre Augen weiteten sich. »Nein«, hauchte sie. »Das nicht.«
Bast schwieg.
»Du bist verrückt«, murmelte Isis. »Du gibst alles auf, dein ganzes Leben, all diese Jahre des Kampfes. All deinen Widerstand und alles, was du auf dich genommen hast, nur weil du … Rache willst? Für den Tod einer Sterblichen?«
»Auch das ist mein Problem, meinst du nicht?«, fragte Bast kalt.
»Nein, das meine ich sogar ganz bestimmt nicht«, antwortete Isis heftig. »Einmal ganz davon abgesehen, dass Horus wahrscheinlich nicht begeistert sein wird, wenn ich sein Versteck verrate …«
»Du weißt also, wo er ist.«
»… bedeutest du mir etwas, Bastet«, fuhr Isis zornig fort. »Du erwartest allen Ernstes von mir, dass ich zusehe, wie du dich umbringst? Dass ich dir auch noch dabei helfe? Du musst verrückt sein!« Sie beugte sich erregt vor. »Ich verstehe dich ja, Bastet. Du bist wütend. Er hat dir wehgetan, um dich wütend zu machen, und wie es aussieht, hat er sein Ziel erreicht … aber dein Schmerz wird vergehen. Sehr bald schon. Im Augenblick tut es nur weh, aber verdammt noch mal, das haben wir doch alle schon einmal erlebt. Schon viele Male! Menschen sterben. Es spielt keine Rolle, ob nach zwanzig Jahren oder sechzig. Sie leben ihr lächerlich kurzes Leben und sterben.«
»Du wirst mir sagen, wo er ist!«
»Ganz bestimmt nicht!«, erwiderte Isis heftig. »Ich werde …« Sie brach ab. Ihre Miene erstarrte und sie wurde blass … und dann noch blasser, als Bast das Schwert, das sie unter dem Tisch gezogen hatte, tief genug in ihren Oberschenkel stieß, um einen einzelnen Blutstropfen an ihrem Bein herunterrinnen zu lassen.
»Es liegt ganz bei dir«, sagte Bast ruhig. »Ich kann ein bisschen an dir herumschnitzen oder dich auch gleich aufspießen, das ist deine Entscheidung … keine Sorge. Du wirst es überleben, aber es wird vermutlich sehr wehtun.«
»Das … wagst du … nicht«, sagte Isis gepresst. Aber ganz überzeugt klang es nicht.
»Lass es auf einen Versuch ankommen«, sagte Bast. »Und ich verspreche dir noch etwas: Wenn du mich zwingst, Gewalt anzuwenden, dann werde ich noch deinen kleinen Freund töten, bevor ich gehe. Du hast es ja gerade selbst gesagt: Er stirbt sowieso. Es spielt keine Rolle, ob jetzt oder in ein paar Jahren.«
»Verdammt, hör auf!«, keuchte Isis. »Allmählich glaube ich wirklich, dass du Sachmet bist.«
»Ich habe nie etwas anderes behauptet«, sagte Bast. Sie bewegte das Schwert; nur um eine Winzigkeit, aber der Blutstrom nahm noch einmal zu. »Du hast die wahre Tiefe meines Wesens nie erkannt. Bastet und Sachmet, wir beide sind eins.«
»St. Paul’s«, ächzte Isis. »Mehr weiß ich nicht.«
»St. Paul’s? Was soll das sein?«
»Eine Kirche, mitten in der Stadt!« Isis funkelte sie fast hasserfüllt an.
»Und dort versteckt er sich? Wo genau?«
»Ich habe keine Ahnung!«, antwortete Isis. Schweiß perlte auf ihrer Stirn, und ihre Stimme zitterte ein wenig. Bastet hätte spätestens jetzt den Druck auf die Schwertklinge ein wenig gemindert, um ihr nicht mehr Schmerzen zuzufügen als nötig, aber Sachmet tat das nicht.
»Ich weiß wirklich nicht mehr!«, ächzte Isis. »Ich habe nur einmal gehört, wie sie darüber gesprochen haben. Ich bin nicht einmal sicher, dass er wirklich noch dort ist, aber das ist alles, was ich dir sagen kann!«
Bast ließ die Schwertklinge noch einige weitere Augenblicke dort, wo sie war, dann aber zog sie die Waffe mit einem Ruck zurück und stand auf. »Gut«, sagte sie. »Ich glaube dir. Aber wenn du mich belogen hast oder wenn du versuchst, mich zu hintergehen oder Horus zu warnen, dann komme ich zurück und besuche zuerst dich und dann Red. Grüß ihn von mir.«
»Ganz bestimmt nicht«, fauchte Isis. »Aber weißt du was? Ich hoffe trotzdem, dass du es überlebst. Und sei es nur, damit du Gelegenheit hast, dich bei mir zu entschuldigen.«
»Sicher«, sagte Bast. »Gleich nachdem sich Horus bei mir entschuldigt hat.« Als sie losgehen wollte, scharrten hinter ihr Stühle, und zwei, dann drei kräftige Burschen stellten sich ihr in den Weg. Bast hielt ihr Schwert noch immer in der Hand, aber sie war ziemlich sicher, dass der Grund, aus dem sie sich nach einem kurzen Moment wieder zurückzogen und sie gehen ließen, ein
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