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Anubis 02 - Horus

Anubis 02 - Horus

Titel: Anubis 02 - Horus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Unwirklicheres und fast schon Gespenstisches gab.
    Etwas berührte sie eisig und unendlich sanft im Gesicht, und Bast begriff, dass der Dunst in Wahrheit pulverfeiner Schnee war, den der Wind vor sich her trieb. Als sie sich bewegte, knirschte es unter ihren Füßen. Und als sie sich herumdrehte, sah sie Horus.
    Überrascht zog sie die Brauen zusammen. Sie hatte damit gerechnet, dass er sich längst auf den Weg zur anderen Seite der Kuppel gemacht und einfach darauf gesetzt hätte, dass er schneller war oder in die falsche Richtung lief, aber er hatte sich nur wenige Schritte weit entfernt und saß mit dem Rücken gegen den weißen Stein der Kuppel gelehnt und angezogenen Knien da. Die kaum fingerdicke Schneedecke, auf der er saß, war dunkel verklumpt von seinem Blut, und sein Gesicht – oder was noch davon übrig war – bot einen grauenerregenden Anblick. Die Kugel hatte nicht nur sein Auge ausgelöscht, sondern ihm auch die halbe Schläfe weggerissen. Das zerstörte Gewebe begann sich schon wieder zu regenerieren, und es sah aus, als begänne sein Fleisch zu kochen und Blasen zu werfen. Trotzdem würde es noch Stunden dauern, bis sein Gesicht auch nur halbwegs geheilt sein würde, und vielleicht Tage, bevor sein Auge wieder sehen könnte. Noch vor wenigen Stunden hätte Bast bei diesem Anblick nichts als Schmerz und Mitleid empfunden. Jetzt empfand sie … nichts.
    »Du hast dich also endlich daran erinnert, dass du einmal ein Mann warst«, sagte Bast, »und rennst nicht mehr davon.«
    Horus hob mühsam den Kopf und sah sie aus seinem verbliebenen Auge an. Bast musste fast all ihre Kraft aufwenden, um dem schrecklichen Anblick standzuhalten. Trotzdem lachte er; oder gab immerhin ein Geräusch von sich, das er für ein Lachen hielt. »Ich dachte, du wüsstest ziemlich gut, dass ich ein Mann bin.«
    Bast machte eine Bewegung mit ihrem Schwert. »Kannst du aufstehen?«
    »Warum?«
    »Weil ich ungern jemanden töte, der vor mir auf dem Boden liegt«, antwortete Bast.
    Einen Moment lang wirkte Horus wirklich erschrocken, aber dann erschien wieder dieses grässlich verstümmelte Lächeln auf seinem Gesicht. Er glaubte es immer noch nicht, dachte Bast. Und wie konnte er auch?
    Sie stieß ihm das Schwert in den linken Arm. Nicht besonders tief, kaum, dass sie seine Haut ritzte, aber es sollte reichen, um ihm klar zu machen, dass sie es ernst meinte.
    Oder auch nicht. Horus sog schmerzerfüllt die Luft zwischen den Zähnen ein, und sein Lächeln geriet endgültig zur Grimasse. Trotzdem lachte er noch einmal krächzend. »Also gut, ich gebe auf«, keuchte er. »Du hast gewonnen. Ich gebe zu, dass du mich geschlagen hast – wenn du willst, auch vor allen anderen.«
    »Das wirst du nicht können«, sagte Bast ruhig. »Du wirst die anderen nicht wiedersehen, Horus. Ich werde dich töten.«
    »Und warum?« Horus grinste weiter, aber es wirkte jetzt ein ganz kleines bisschen unsicher. Vielleicht begann er allmählich zu ahnen, was geschah. »Sag nicht, wegen dieser Sterblichen. Bei Ra, Bastet, sie sind doch nur Tiere!«
    »Auch wir waren einmal Sterbliche, Horus«, antwortete Bast. »Es ist lange her, aber ich erinnere mich noch. Du auch?«
    »Bastet, es reicht«, sagte Horus scharf- oder versuchte es wenigstens. »Du hast deinen Spaß gehabt, aber jetzt übertreibst du es.«
    Bast beugte sich vor, zog mit der linken Hand das Schwert aus seinem Gürtel und trat einen halben Schritt zurück, bevor sie ihm die Waffe mit dem Griff voran hinhielt.
    »Ich töte dich auch, wenn du dich nicht wehrst«, sagte sie ernst. »Aber es wäre mir lieber, wenn du dich verteidigen würdest.«
    »Dann sollte ich eigentlich liegen bleiben, nur um dir den Spaß zu verderben«, krächzte Horus. Er rappelte sich trotzdem auf, nahm erst dann das Schwert entgegen und ließ es demonstrativ wieder sinken, als Bast ihre eigene Waffe hob und in Grundstellung ging.
    »Wenn du so viel Wert auf einen fairen Kampf legst«, sagte er, »dann sollten wir ihn um einen Tag verschieben. Nebenbei bemerkt war es auch nicht unbedingt fair, auf mich zu schießen.« Er wies demonstrativ auf sein zerstörtes Gesicht, und Bast musste ihm widerstrebend recht geben.
    Sie steckte ihr Schwert ein. »Du hast recht«, sagte sie. »Ist dir das Ausgleich genug? Du dein Schwert, und ich nur …« Sie hob ihre leeren Hände. »… die? Oder bestehst du darauf, mir die Arme auf den Rücken zu fesseln?«
    Horus machte ein trotziges Geräusch, zuckte mit den Achseln und führte

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