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Anubis 02 - Horus

Anubis 02 - Horus

Titel: Anubis 02 - Horus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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abliefern, und Abberlines Kollegen, die bis dahin sicher längst damit beschäftigt waren, Horus’ Überreste vom Straßenpflaster unterhalb des Domes zu kratzen, würden sich möglicherweise einen Reim darauf machen, oder auch nicht.
    Es war ihr vollkommen egal. Morgen um diese Zeit war sie längst woanders.
    Auch im Inneren des gemauerten Gewölbes war es kalt, aber sie war wenigstens aus dem eisigen Wind heraus, und das Leben begann kribbelnd in ihre Finger und Zehen zurückzukehren, während sie langsam die ausgetretenen Stufen hinunterschritt. Sie hatte es nicht eilig und nahm sogar noch einen gehörigen Umweg in Kauf, indem sie auf die untere Galerie hinaustrat und sie einmal komplett absuchte; nur um sicherzugehen, dass Horus nicht etwa dort aufgeschlagen und gerade damit beschäftigt war, seine Knochen zu sortieren und neue Kräfte zu sammeln, um ihr im schlechtestmöglichen Moment in den Rücken zu fallen.
    Aber Horus war nicht da, und als sie ihre geistigen Fühler ausstreckte, konnte sie ihn auch nirgends entdecken.
    Sie beschleunigte ihre Schritte. Die Treppe nahm kein Ende, als hätte Horus seinen letzten Atemzug auf einen bösen Fluch verschwendet, der sie für immer in diesem feindseligen, kalten Gotteshaus gefangen halten würde, aber endlich trat sie wieder auf die Whispering Gallery hinaus …
    … und erstarrte.
    Sie hatte sich getäuscht. Horus war nicht tot. Er war auch nicht irgendwo, er stand direkt unter ihr. Und er war nicht allein.
    Gleich neben ihm stand eine zweite, deutlich kleinere, aber ebenfalls ganz in Schwarz gekleidete Gestalt, die aber anders als er keinen knöchellangen Mantel und Turban trug, sondern ein elegantes Cape und ein weißes Rüschenhemd mit dazu passender Fliege.
    Es war, als hätte jemand ohne die geringste Vorwarnung einen Kübel Eiswasser über ihr ausgegossen.
    Sie hatte nicht wirklich geglaubt, dass Abberline im Wagen bleiben und in aller Seelenruhe auf ihre Rückkehr warten würde, aber er hatte sich wirklich den allerschlechtesten aller nur denkbaren Augenblicke ausgesucht, um ihr zu Hilfe zu eilen. Er stand fast direkt unter ihr, und er war in einer irgendwie unnatürlich oder doch zumindest verkrampft wirkenden Haltung scheinbar mitten in der Bewegung erstarrt – was allerdings auch an dem gekrümmten Dolch liegen mochte, den Horus ihm gegen die Kehle presste.
    Ihre Gedanken überschlugen sich, aber irgendwie schienen sie keine Zeit zu beanspruchen, und Bast setzte sich in Bewegung, noch während sie verzweifelt die Möglichkeiten erwog, die ihr blieben: Sie war schnell, aber nicht einmal annähernd schnell genug, um die Treppe hinabzustürmen und sich ernsthaft einzubilden, Abberline noch retten zu können, und sie hatte auch noch Abberlines Revolver, aber der Schusswinkel war ungünstig, und das Risiko, Abberline zu treffen statt Horus, einfach zu groß.
    Also gut. Zeit, grob zu werden.
    Sie sprang.
    Mit einer einzigen, kraftvollen Bewegung flankte sie über die gemauerte Brüstung, zog noch im Sturz das Schwert und streckte die Beine gerade nach unten.
    Sie hatte absolut kein Geräusch verursacht, allenfalls, dass er das Flattern ihres Mantels hören konnte, doch Horus schien im allerletzten Moment die Gefahr zu spüren, die auf ihn herabstürzte, denn er fuhr zusammen und warf mit einem Ruck den Kopf in den Nacken, und Bast sah nicht nur das pure Entsetzen in seinen Augen aufblitzen, sondern auch, wie sich die rasiermesserscharfe Klinge seines Dolches in Abberlines Kehle grub und hellrotes Blut über seinen Hals floss – dann prallten ihre Füße mit grauenhafter Wucht auf Horus’ Schultern, und die Welt explodierte in einer weißen Lohe aus purer Agonie.
    Ihre Beine brachen, nahezu explosionsartig und jedes an mehreren Stellen zugleich, und irgendetwas in ihrem Inneren zerriss mit einem noch viel schlimmeren, gleißenden Schmerz, aber sie konnte auch hören, wie Horus’ Rückgrat nicht nur brach, sondern regelrecht pulverisiert wurde, und trotz der feurigen Lohe, die sie einhüllte und jede einzelne Zelle ihres Körpers in Brand zu setzen schien, registrierte sie, wie Horus mit einem sonderbar erstickten Laut und in einem noch viel sonderbareren und eigentlich vollkommen unmöglichen Winkel nach hinten kippte. Der Dolch flog aus seiner Hand und schlitterte klirrend davon, allerdings nicht, ohne sich zuvor tief in Abberlines Kehle gegraben und aus dem roten Strom einen sprudelnden Geysir gemacht zu haben. Dann schlug auch ihr eigenes Schwert – weit

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