Anubis - Roman
als Haushälter.
»Also gut.« Graves stand auf und machte keinen Hehl aus seiner Enttäuschung über die Entwicklung, die dieses Gespräch genommen hatte. Anscheinend war er mit einer bestimmten Absicht hierher gekommen, die er nun offensichtlich nicht mehr verwirklichen zu können glaubte. »Dann werde ich mal wieder nach dem Rechten sehen. Es bleibt dann dabei: in zwei Stunden drüben in meiner Hütte.« Er machte ein paar Schritte in Richtung Tür und blieb dann wieder stehen, um sich noch einmal zu Miss Preussler umzudrehen.
»Ach, Miss Preussler – machen Sie sich keine Sorgen um Ihre Katze. Sie hat sich vor dem Unwetter in Sicherheit gebracht. Tom kümmert sich um sie.«
»Cleopatra ist bei Ihnen?«, fragte Miss Preussler zweifelnd.
»Ich fürchte, Ihre vierbeinige Freundin hat mich nicht unbedingt in ihr Herz geschlossen«, bekannte Graves mit einem verlegenen Lächeln. »Dafür scheint sie einen um so größeren Narren an Tom gefressen zu haben. Ich gebe ihm Bescheid, dass er sie zum Essen mitbringt.«
Das Unwetter tobte noch gute anderthalb Stunden mit wachsender Wut, bevor seine Kraft allmählich nachließ und aus dem heulenden Orkan ein normaler Wind und aus dem hämmernden Trommelfeuer wieder normaler Regen wurde. Mogens öffnete ein paar Mal die Tür, um nach draußen zu sehen, und der Regen war jedes Mal schwächer geworden. Auf geradezu unheimliche Weise pünktlich,um ihnen keinen Vorwand zu liefern, Graves’ Einladung auszusitzen, hörte der Regen ganz auf. Der Wind flaute zu einer sachten Brise ab, deren Kraft kaum noch ausreichte, um die Wolken am Himmel auseinander zu treiben.
Dennoch wurde es nicht hell. Im gleichen Maße, in dem die Regenwolken über ihnen ihre Farbe verloren und sich schließlich ganz auflösten, senkte sich die Dämmerung über das Land. Es blieb dunkel, auch als sie das Haus verließen und sich auf den kurzen Weg zu Graves’ Unterkunft machten.
Sie erlebten noch eine weitere, diesmal aber angenehme Überraschung: Obwohl der stundenlange Regen den Platz endgültig in einen Morast verwandelt hatte, erreichten sie die Hütte trockenen Fußes, denn jemand – vermutlich Tom – hatte sich die Mühe gemacht, einen Weg aus Planken dorthin zu legen, sodass sie zwar vorsichtig balancieren mussten, aber zumindest nicht Gefahr liefen, bis an die Knöchel im Schlamm zu versinken. Miss Preussler zeigte sich äußerst angetan von dieser Zuvorkommenheit, in Mogens weckte sie jedoch nur eine Mischung aus Ärger und kindischem Trotz. Auch wenn er sich wenig um solcherlei Dinge gekümmert hatte, war ihm doch klar, dass Tom praktisch alle im Lager anfallenden Arbeiten allein verrichtete. Dutzende der schweren Bohlen herbeizuschleppen und auszulegen musste eine ziemliche Plackerei gewesen sein – und eine überflüssige dazu. Bei Miss Preussler hatte Graves von Anfang an keine Chance gehabt, und was ihn anging, hätte er den Weg zu seiner Hütte mit massiven Goldbarren pflastern können, ohne dadurch irgendetwas an Mogens’ Entschluss zu ändern, so bald wie möglich abzureisen.
Graves’ Hütte war vom warmen Schein zahlreicher Kerzen erhellt, als sie eintraten, und das war nicht alles, was sich verändert hatte. Die Veränderung war beinahe so radikal wie die, die in Mogens’ Quartier stattgefunden hatte, nur dass Graves keine Miss Preussler zur Verfügung gehabt hatte. Der Raum war bis in den hintersten Winkel pedantisch aufgeräumt, und der große Tisch, der sich Mogens noch vor wenigen Stunden als ein einziges Chaos dargeboten hatte, war zu einer festlichen Tafel für drei Personen gedeckt worden, das jedem Nobelrestaurant Ehre gemacht hätte: Es gab kostbares Porzellan, Gläser aus geschliffenem Kristallglas und schweres Silberbesteck mit Einlagen aus Gold. In der Luft lag ein Wohlgeruch, der Mogens das Wasser im Munde zusammenlaufen ließ. Die allergrößte Überraschung aber stellte Jonathan Graves selbst dar: Er hatte sich umgezogen und trug Frack, ein blütenweißes Hemd und Fliege, dazu Gamaschen und hochglanzpolierte Schuhe. Mogens, der sich für die geplante Reise eher nach Kriterien wie Zweckmäßigkeit und Robustheit umgezogen hatte, kam sich plötzlich schäbig, ja, fast ein wenig schmuddelig vor, was seinen Ärger auf Graves noch mehr anstachelte. Vermutlich hieße es, Graves trotz allem zu viel Bosheit zu unterstellen, indem er annahm, dass irgendeine Absicht dahinter steckte, aber Mogens gefiel diese Vorstellung. Es war, als suche er nun, wo er sich einmal
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