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Anubis - Roman

Titel: Anubis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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von Graves’ Einfluss freigemacht hatte, fast krampfhaft nach allem, was er seinem ehemaligen Kommilitonen anlasten konnte.
    Graves erhob sich bei ihrem Eintreten, eilte Miss Preussler entgegen und verbeugte sich zu einem perfekten Handkuss. Miss Preussler war viel zu perplex, um irgendetwas anderes zu tun, als einfach dazustehen und Graves anzustarren. Ihre Überraschung, erkannte Mogens besorgt, war jedoch eher angenehmer Art.
    »Meine liebe Miss Preussler!«, begrüßte sie Graves. »Mogens! Willkommen in meiner bescheidenen Behausung!«
    Er richtete sich auf, trat einen Schritt zurück und machte eine einladende Geste auf den gedeckten Tisch. »Bitte nehmen Sie doch Platz. Tom wird Ihnen sofort einen Aperitif bringen.«
    Noch immer reichlich perplex, folgte Miss Preussler seiner Einladung augenblicklich, während es in Mogens’ Fall einer Wiederholung seiner wedelnden Geste bedurfte. Mogens war kaum weniger überrascht als Miss Preussler – vermutlich sogar mehr, denn anders als sie hatte er diesen Raum noch vorwenigen Stunden in einem gänzlich anderen Zustand gesehen. Es war ihm vollkommen unverständlich, wie Tom dieses Wunder in so kurzer Zeit vollbracht und dabei auch noch dieses zumindest himmlisch riechende Mahl zubereitet hatte – ganz davon zu schweigen, dass Graves behauptete, er habe auch noch den einsturzgefährdeten Tunnel gesichert und die schlimmsten Trümmer beseitigt.
    Graves nahm ebenfalls Platz und wandte sich mit einem um Vergebung heischenden Lächeln an Miss Preussler. »Ich muss mich bei Ihnen entschuldigen, meine Liebe. Mir ist natürlich klar, dass das hier nicht dem Standard entspricht, den eine Frau wie Sie gewohnt ist, aber wir waren leider gezwungen, ein wenig zu improvisieren. Wir haben hier nicht sehr oft Besuch.«
    »Aber ich bitte Sie, Doktor Graves!«, antwortete Miss Preussler. »Das ist … das ist geradezu fantastisch! Ich weiß gar nicht genau, was ich sagen soll!«
    »Darf ich das als Kompliment auffassen?«
    »Und ob Sie das dürfen!«, antwortete Miss Preussler.
    »Danke sehr«, antwortete Graves. »Aber das Kompliment gebührt wohl eher Tom. Ich muss gestehen, dass er zum Großteil für dieses Wunder verantwortlich zeichnet.«
    »Ah ja, Tom.« Miss Preussler nickte. »Der Professor hat mir von ihm erzählt. Ich würde diesen bemerkenswerten jungen Mann gerne einmal kennen lernen.«
    »Ihr Wunsch ist mir Befehl, Gnädigste«, sagte Graves. Und es war ganz gewiss kein Zufall, dass genau in diesem Moment die Tür aufging und Tom hereinkam, beladen mit einem Silbertablett, auf dem eine Kristallkaraffe und drei dazu passende Gläser standen. Ein schwarzer Schemen mit orangerot glühenden Augen flitzte zwischen seinen Beinen hindurch, sprang mit einem Satz auf Miss Preusslers Schoß und rollte sich schnurrend zu einem Ball zusammen.
    »Cleopatra, da bist du ja wieder!«, rief Miss Preussler erfreut. »Wo warst du nur die ganze Zeit, du kleine Rumtreiberin?« Sie begann die Katze zwischen den Ohren zu kraulen. Cleopatras Schnurren wurde noch lauter, aber nur für einenMoment – dann setzte sie sich auf, machte einen Buckel und drehte den Kopf in Graves’ Richtung. Ihre Augen wurden zu schmalen Schlitzen, und sie ließ ein Fauchen hören, bei dem sie mindestens ein Dutzend winziger, aber nadelspitzer Zähnchen bleckte.
    »Aber Cleopatra, was soll denn das?«, schimpfte Miss Preussler. »Wirst du dich wohl unserem Gastgeber gegenüber anständig benehmen?«
    Als hätte Cleopatra die Worte verstanden, rollte sie sich wieder zusammen. Sie fauchte nicht mehr, aber sie begann auch nicht wieder zu schnurren, und sie ließ Graves keine Sekunde aus den Augen.
    »Tja, mir scheint, bei dieser schwarzen Schönheit habe ich keine Chance«, sagte Graves lächelnd.
    Miss Preussler erstarrte. Ihre Hand, die immer noch Cleopatras Kopf streichelte, erstarrte ebenfalls, und aus dem Lächeln auf ihren Lippen wurde etwas anderes. In ihren Augen flackerte eine Verlegenheit, die beinahe an Panik grenzte. Sie brauchte eine Weile, um sich weit genug wieder zu fangen, um wenigstens antworten zu können. »Doktor Graves«, begann sie stockend, »wegen Cleopatras schrecklicher Entgleisung damals … es … es tut mir aufrichtig Leid.«
    Graves blinzelte. »Ich fürchte, ich weiß nicht genau, wovon Sie reden.«
    »Nun, Sie erinnern sich doch gewiss an … an Cleopatras …« Miss Preussler verstummte endgültig. Sie war sichtlich nicht mehr in der Lage, zu reden. Die Verlegenheit hatte

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