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Anubis - Roman

Titel: Anubis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Im Moment war der Regen noch nicht mehr als ein seidiges Rauschen, das über die Fenster strich, aber der Donner hatte zugenommen, und er war auch deutlich lauter geworden. Was jetzt noch ein sanfter Frühlingsregen war, mochte sich binnen kürzester Zeit zu einem Unwetter auswachsen. Drei Meilen können ein verdammt langer Spaziergang sein, in einem Gewittersturm.
    Es wurde zusehends dunkler. Das Unwetter entwickelte sich genau so, wie Mogens es vorausgesehen hatte, und baldwar aus dem seidigen Streicheln des Regens das wütende Trommeln unsichtbarer Fäuste geworden, laut genug, um selbst das Grollen der Donnerschläge nahezu zu verschlucken, und aus dem Wind war ein heulender Sturm geworden, der an den Fensterläden zerrte und selbst die schwere Tür vibrieren ließ. Mogens hatte das elektrische Licht eingeschaltet und blätterte in seinen Notizen; nicht weil ihm wirklich der Sinn danach stand, zu arbeiten, sondern weil er auf diese Weise nicht mit Miss Preussler reden musste. Ihre Nähe war ihm nicht wirklich unangenehm, aber sie machte alles schrecklich kompliziert. Wäre sie nicht gewesen, hätte er sich vielleicht trotz des Unwetters auf den Weg gemacht. Irgendetwas hier hatte sich verändert, seit Hyams und die anderen fort waren. Vielleicht war es auch umgekehrt. Vielleicht waren sie gegangen, weil sich etwas verändert hatte und weil sie die Gefahr spürten, die langsam aus der Tiefe der Erde zu ihnen heraufkroch.
    »Ich weiß zwar, dass es mich nichts angeht«, sagte Miss Preussler, »und dass ich es wahrscheinlich sowieso nicht begreifen werde, aber trotzdem: Worum geht es bei Ihrer Arbeit hier eigentlich?«
    Mogens löste widerstrebend den Blick von seinen Notizen und drehte sich noch widerstrebender zu Miss Preussler um. Ihm war klar, dass sie nur ein wenig Konversation machen wollte, denn mit der Dunkelheit und dem Trommeln der Regenfäuste auf dem Dach hatte auch die Langeweile in die Blockhütte Einzug gehalten. Der Raum war so klein, dass selbst Miss Preussler nichts mehr zum Putzen oder Aufräumen gefunden hatte. Aber ihm war nicht nach Reden. Schon gar nicht über dieses Thema.
    »Es ist sehr kompliziert, Miss Preussler«, sagte er ausweichend. »Und wir reden im Allgemeinen nicht über unsere Arbeit.«
    »Weil dieser unmögliche Doktor Graves es Ihnen verboten hat«, vermutete Miss Preussler.
    Mogens schüttelte den Kopf. »Nein.« Einen Moment später verbesserte er sich: »Ja.«
    Miss Preussler runzelte vielsagend die Stirn, und Mogens kapitulierte innerlich und klappte die Mappe mit seinen Notizen zu, bevor er sich endgültig zu ihr umdrehte. Sie hatte ihre Konversation, aber Mogens registrierte beinahe überrascht, dass ihm dies im Grunde gar nicht so ungelegen kam. Vielleicht war der Klang einer menschlichen Stimme genau das, was er im Moment brauchte, um die Geister zu vertreiben, die zwischen den Zeilen seiner Aufzeichnungen hervorgekrochen waren und seine Gedanken vergifteten.
    »Doktor Graves hat uns tatsächlich verboten, außerhalb der Grabungsstätte über unsere Arbeit zu sprechen – aber was Jonathan Graves sagt, interessiert mich nicht mehr.«
    Miss Preussler schenkte ihm ein beifälliges Nicken. Sie schwieg.
    »Es ist nur so, dass ich nicht darüber reden möchte «, fuhr er nach einer unbehaglichen Pause fort. Zwischen Miss Preusslers sorgsam nachgezogenen Augenbrauen entstand eine steile Falte, aber sie schwieg beharrlich weiter, sodass Mogens sich genötigt sah, zumindest noch den Versuch einer Erklärung hinzuzufügen. »Es gibt Dinge, über die sollte man nicht reden, Miss Preussler. Ich möchte nur noch möglichst schnell von hier fort und nie wieder daran denken.«
    Die Falte zwischen Miss Preusslers Augenbrauen vertiefte sich, und Mogens hatte plötzlich das Gefühl, einen Fehler gemacht zu haben – auch wenn er sich beim besten Willen nicht denken konnte, welchen. »Sie beschäftigen sich hier doch nicht etwa mit gotteslästerlichen Dingen, Professor?«, fragte sie.
    »Nein!«, antwortete Mogens hastig – vielleicht eine Spur zu hastig, denn zu der steilen Falte über Miss Preusslers Nasenwurzel gesellte sich nun auch noch ein Ausdruck von mit Missbilligung gepaartem Misstrauen in ihren Augen. Und vielleicht hatte er ihr auch nicht die Wahrheit gesagt, dachte er. Da er nicht an Gott glaubte, konnte er ihn auch schwerlich lästern. Aber vielleicht kam es ja auf die Definition des Wortes Gott an.
    »Sagen Sie mir die Wahrheit, Professor.« Miss Preussler hob die Hand,

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