Anubis - Roman
Recht haben«, antwortete Graves. »Dennoch eine sehr effektive. Es gibt viele, die behaupten, dass dieses Land erst durch die Eisenbahn wirklich groß geworden ist.«
»Das mag sein«, sagte Miss Preussler ungerührt. »Aber bedeutet groß auch immer automatisch besser? «
»Touché«, sagte Graves lächelnd. »Vor Ihnen muss man sich in Acht nehmen, scheint mir. Sie sind die lebende Antwort auf die Frage, warum Frauen keinen Zutritt in Debattierclubs haben.«
Tom kam zurück, um das Essen zu servieren, und das, was er ihnen auftischte, übertraf sogar noch die Erwartungen, die der festlich gedeckte Tisch und der verlockende Duft geweckt hatten. Allein beim Anblick der auf dem Tablett gestapelten Speisen lief Mogens abermals das Wasser im Mund zusammen, und sein Magen knurrte hörbar. Er konnte es kaum abwarten, bis Tom zuerst ihm und dann Miss Preussler aufgetan hatte.
Tom machte jedoch keinerlei Anstalten, auch Graves’ Teller zu füllen, sondern wünschte ihnen nur einen guten Appetit und ging wieder, und Miss Preussler wandte sich verwirrt an Graves. »Essen Sie nichts?«
»Ich fürchte, nein«, antwortete Graves. »Auch das gehört zu den Folgen jener unangenehmen Krankheit, die ich mir damals zugezogen habe.« Er hob demonstrativ die Hände. »Ich reagiere allergisch auf die allermeisten Lebensmittel und kann nur ganz bestimmte Dinge zu mir nehmen. Diese zweifellos köstliche Mahlzeit, die Tom für Sie zubereitet hat, würde mich vermutlich umbringen.«
»Aber das ist ja entsetzlich!«, sagte Miss Preussler.
»Es ist nicht so schlimm, wie es sich anhört«, antwortete Graves. »Man findet andere Befriedigungen, wenn einem der Genuss der gewohnten kleinen Freuden im Leben plötzlich verwehrt wird.«
»Zum Beispiel?«, fragte Mogens.
»Nun, zum Beispiel die Arbeit.« Obwohl Mogens die Frage gestellt hatte, wandte sich Graves weiterhin an Miss Preussler. »Oder auch eine gute Zigarette, dann und wann.« Ermachte eine wedelnde Geste. »Aber lassen Sie sich davon bitte nicht aufhalten. Es wäre eine Schande um das wundervolle Essen. Und würde Tom, nebenbei bemerkt, wahrscheinlich das Herz brechen.«
Miss Preussler zögerte noch einen kurzen Moment, aber dann griff sie nach ihrem Besteck und begann zu essen, und nur einen Augenblick später folgte Mogens ihrem Beispiel.
Das Essen war köstlich. Mogens hatte ja schon zuvor Gelegenheit gehabt, Toms Kochkünste kennen zu lernen, aber mit dieser Mahlzeit hatte er sich selbst übertroffen. Sie aßen lange und mehr als ausgiebig, und Mogens erlebte schon wieder eine Überraschung, indem sich Jonathan Graves nicht nur als ein vorbildlicher Gastgeber herausstellte, sondern auch als ein überaus eloquenter Gesprächspartner und ein Mann von unerwartetem Witz und Esprit. Je weiter der Abend fortschritt, desto verwirrter fühlte sich Mogens. Der Jonathan Graves, der mit ihnen am Tisch saß, schien kaum noch Ähnlichkeit mit dem Mann zu haben, den er von früher her kannte, oder dem, mit dem er die letzten Tage verbracht hatte – und schon gar nicht mit dem unflätigen, barbarischen … Etwas , das ihn in Thompson besucht hatte. Dieser Jonathan Graves war intelligent, wohlerzogen und charmant, und das in einem Ausmaß, dass es selbst Mogens zunehmend schwerer wurde, ihm weiter mit Ablehnung zu begegnen. Graves trank drei Gläser Cognac, während sie aßen, aber er wartete artig, bis Mogens und Miss Preussler ihre Mahlzeit beendet hatten, bevor er sein silbernes Etui aufklappte und sich eine Zigarette anzündete.
»Eines der wenigen kleinen Laster, die mir noch geblieben sind«, sagte er, als er Miss Preusslers vorwurfsvollen Blick bemerkte. Er nahm einen tiefen Zug und wandte sich gleichzeitig an Tom. »Würdest du uns bitte Kaffee holen, Tom?«
Tom ging, und Graves blickte kurz seine Zigarette an, dann Miss Preussler und schließlich wieder die brennende Zigarette mit der affektierten Schildpattspitze, so als wäre ihm bei ihrem Anblick etwas eingefallen. »Da ist noch etwas, wasmir die ganze Zeit schon auf der Seele liegt, Miss Preussler«, begann er zögernd.
»Ja?«
»Nun, es geht um … um unser erstes Zusammentreffen in Thompson«, antwortete Graves. »Es stand unter keinem sehr guten Stern, fürchte ich. Ich möchte mich dafür in aller Form bei Ihnen entschuldigen, Miss Preussler. Und bei dir natürlich auch, Mogens.«
Er schwieg einen Moment. Als er weitersprach, sah man ihm an, wie schwer es ihm fiel. »Ich fürchte, ich habe mich unmöglich
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