Anubis - Roman
verwirrt fragte, was er eigentlich gerade gesagt hatte. Er schüttelte den Gedanken mit einer merklichen Anstrengung ab. »Ging es dir nun darum, Miss Preussler loszuwerden, oder wolltest du tatsächlich etwas mit mir besprechen?«
Statt ihm zu antworten, trat Graves in die Wandnische und öffnete die Geheimtür, indem er den Kopf der Horusstatue umdrehte. Die Steinplatte bewegte sich knirschend zur Seite, und Mogens wartete darauf, dass sich aus dem Gang, der dahinter zum Vorschein kam, Schatten ergossen wie eine Flut klumpig geronnener Dunkelheit. Stattdessen drang aus dem schmalen Durchgang hellgelbes, warmes Licht.
»Ich habe Tom gebeten, noch ein paar zusätzliche Lampen zu installieren«, sagte Graves, als er Mogens’ Erstaunen bemerkte.
»Wozu?«, fragte Mogens.
»Ich hatte den Eindruck, dass dir das Dunkel nicht behagt«, antwortete Graves. »Und es ist auch weniger gefährlich. Tom hat den Gang zuverlässig abgestützt, keine Sorge, aber es sind doch einige Trümmerstücke von der Decke gefallen. Ich möchte nicht, dass du zu Schaden kommst.«
»Diese Gefahr besteht wohl kaum«, antwortete Mogens. Er sah Graves ärgerlich an. »Ich werde nicht dort hineingehen.«
»Aber ich dachte, wir wären uns einig«, sagte Graves überrascht.
»Dass ich dir helfe, ja«, antwortete Mogens. Er machte eine trotzige Kopfbewegung in den Gang. »Aber nicht dabei. «
Die Verwirrung in Graves’ Gesicht nahm noch zu. »Aber du …« Er unterbrach sich, schüttelte sacht den Kopf und nickte gleich darauf. »Oh, jetzt verstehe ich. Aber das eine geht nicht ohne das andere, fürchte ich. Anscheinend habe ich mich immer noch nicht klar genug ausgedrückt. Ich glaube, wir sind der Lösung ganz nahe. Wir brauchen Beweise, Mogens.« Er wies mit der Hand in den offen stehenden Geheimgang. »Und sie sind dort drinnen. Aber du bist der Einzige, der mir helfen kann, sie zu finden.«
»Nein«, sagte Mogens.
Graves’ Gesicht verdüsterte sich vor Zorn. Aber er beherrschte sich, auch wenn es ihn sichtliche Anstrengung kostete. »Ich hoffe, du überdenkst diesen Entschluss noch einmal«, sagte er steif.
»Kaum«, antwortete Mogens. »Und jetzt wäre ich dir dankbar, wenn wir gehen könnten. Ich würde gerne diese albernen Kleider ablegen.«
Bis zu diesem Tage hatte sich der Speiseplan des Lagers auf ein ausgiebiges Frühstück und ein noch ausgiebigeres Abendessen beschränkt, die Mogens und seine Kollegen jeder für sich in seiner jeweiligen Unterkunft eingenommen hatten; zum einen, wie Mogens angenommen hatte, um Zeit zu sparen – der Hin- und Rückweg in den unterirdischen Tempel nahm jedes Mal nahezu eine Viertelstunde in Anspruch, und Tom hielt sich eisern an den Zeitplan, den Graves für den Betrieb des Generators aufgestellt hatte –, aber hauptsächlich wohl, weil es selbst Toms an Zauberei grenzende Fähigkeiten überfordert hätte, neben den unzähligen Arbeiten, die er schon zu verrichten hatte, nicht nur auch noch eine dritte warme Mahlzeit täglich zuzubereiten, sondern sie auch in fünf getrennten Unterkünften aufzutragen.
Das Frühstück hatte an diesem Tag für Mogens jedoch lediglich aus zwei Tassen des lauwarmen bitteren Gebräus bestanden, von dem Wilson behauptet hatte, es handele sich um Kaffee, und so saß Mogens gegen Mittag mit leise knurrendem Magen und entsprechend gesunkener Laune über seinen Büchern, als von draußen ein nervöses metallisches Klingeln hereindrang; fast wie ein Gong, nur blecherner.
Mogens sah von seiner Lektüre auf und blickte zur Tür, ohne dem Laut indes einen Sinn abgewinnen zu können. Seine Verärgerung galt nicht allein der Störung seiner Konzentration, sondern vielmehr sich selbst. Er saß jetzt seit guten zwei, wenn nicht mehr Stunden über den Büchern, die Graves aus der Universitätsbibliothek von Arkham mitgebracht hatte, und versuchte vergebens, den Buchstaben und Zeichnungen irgendeinen Sinn abzugewinnen.
Natürlich verstand er die Worte . Er vermochte sie zu Sätzen aneinander zu reihen und deren Sinn zu erfassen, aber das viel tiefer gehende, fast mystische Verständnis für die in den vermeintlich harmlosen Worten verborgene, unheimliche Botschaft wollte sich nicht mehr einstellen. Das düstere Geheimnis, das sich ihm zuvor beim Lesen der uralten Schriften erschlossen hatte, war verschwunden. Das Buch hatte aufgehört, mit ihm zu reden.
Vielleicht hatte er auch einfach aufgehört, ihm zuzuhören.
Mogens war im Zweifel mit sich selbst. Mit jedem Moment,
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