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Anubis - Roman

Titel: Anubis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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einen Schritt und drehte sich zum Haus um. Er konnte sich nicht erinnern, die Tür hinter sich geschlossen zu haben, aber sie war zu, und Mogens ertappte sich bei einem Gefühl insgeheimer Erleichterung darüber. Fast automatisch machte er einen Schritt und blieb dann wieder stehen. So erleichtert er innerlich darüber war, die Tür geschlossen zu sehen, ebenso sehr musste er sich eingestehen, dass er nicht den Mut hatte, sie zu öffnen. Das bisschen, was von seinem analytischen Verstand noch übrig war, beharrte immer lauter darauf, dass er nur einem Trugbild zum Opfer gefallen war.
    Dennoch hatte er nicht die Kraft, sich ihm zu stellen.
    Er konnte jetzt nicht in seine Hütte zurückgehen, aber hier draußen konnte er auch nicht bleiben. Mogens machte ein paar Schritte in Richtung auf Hyams’ ehemalige Hütte zu, die nun von Miss Preussler bewohnt wurde, schwenkte dann aber mitten in der Bewegung herum und ging, langsamer werdend, aber ohne wirklich anzuhalten, auf das Zelt zu. Nach der inneren war dies nun auch die äußere Kapitulation, aber selbst das war ihm mittlerweile beinahe gleichgültig. Mogens weigerte sich rundheraus, auch nur die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass seine unheimliche Begegnung irgendetwas anderes als ein Albtraum gewesen sein könnte, aber selbst wenn es anders wäre – es spielte keine Rolle. Graves hatte die Gespenster der Vergangenheit endgültig geweckt. Er würde keine Ruhe mehr finden, wenn er den Weg, auf den Graves ihn halb gelockt und den er halb freiwillig betreten hatte, nicht zu Ende ging.
    Ganz gleich, wie dieses Ende aussah.

Anders als in der vergangenen Nacht war der Generator ausgeschaltet, und somit herrschte unten im Gang, als Mogens die Leiter hinunterstieg und sich auf den Weg zu Graves und Tom machte, pechschwarze Dunkelheit. So unheimlich ihm das Arbeitsgeräusch des Generators auch gewesen war, so sehr vermisste er es jetzt beinahe, denn die Stille, die ihn empfing, war beinahe noch bedrückender. Es schien nicht nur die reine Abwesenheit von Geräuschen zu sein. An ihre Stelle war etwas anderes getreten; etwas Fremdes, das nicht hierher gehörte und sich wie eine würgende Decke über das Hier und Jetzt legte und jeden Laut erstickte. Selbst seine Schritte schienen nicht mehr das allermindeste Geräusch zu verursachen. Wäre nicht am Ende des Tunnels ein blasses, flackerndes Licht gewesen, so hätte Mogens wohl spätestens jetzt der Mut verlassen, und er wäre auf der Stelle umgekehrt.
    Zu seiner Enttäuschung war die große Höhle leer. Von Graves und Tom war keine Spur zu entdecken, und auch die drei großen Kisten waren verschwunden. Auf dem Tisch stand eine einsame Petroleumlampe, deren Licht das sie umgebende Durcheinander aus Papieren, Werkzeugen und Fundstücken in eine bizarre Skulptur aus schrägen Linien und Schatten verwandelte.
    Immerhin gab es ein zweites Licht, das ihm den Weg wies. Mogens war nicht überrascht, aber ihm lief ein kalter Schauer über den Rücken, als er sah, dass es aus dem zur Tempelkammer führenden Gang kam. Der einzige Grund, aus dem er weiterging, war vermutlich, dass umzukehren ihn mehr Mut gekostet hätte, als seinen Weg fortzusetzen.
    Auch die Lampen im Hieroglyphengang brannten nicht, aber der Raum an seinem anderen Ende war hell genug erleuchtet, sodass er zumindest nicht Gefahr lief, zu stolpern oder sich auf andere Weise an den Wänden zu verletzen. Und auf halbem Wege hörte er auch endlich wieder Stimmen. Ganz zweifelsfrei kamen sie von Tom und Graves, dennoch hatte Mogens im ersten Moment Mühe, sie zu identifizieren. Die sonderbare Stille, die ihn hier unten empfangen hatte, war noch immer da, nur nicht mehr so allumfassend wie zuvor; sie verschlang nun nicht mehr jegliches Geräusch, sondern schien nur noch gewisse Frequenzen zu überdecken, sodass sich Graves’ Stimme sonderbar dumpf und verzerrt anhörte, als befände er sich unter Wasser.
    Mogens schob auch diesen bizarren Eindruck auf seine eigene Nervosität und beschleunigte seine Schritte – mit dem Ergebnis, dass er die nur halb geöffnete Gittertür am Ende des Ganges übersah und unsanft dagegen prallte. Tom, der mit dem Rücken zum Eingang dagestanden hatte, fuhr alarmiert herum und sah für einen Moment regelrecht entsetzt aus, zumindest aber sehr erschrocken. Graves hingegen drehte sich betont gelassen zu ihm um und sah ihn gute fünf Sekunden lang eindeutig zufrieden an. Dann griff er mit einer schon übertrieben langsamen Bewegung in die

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