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Anubis - Roman

Titel: Anubis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Schatten stand und ihn aus seinen unheimlichen Schakalaugen anstarrte. In diesem Moment funktionierte es sogar. Indem er Miss Preussler zumindest eine Mitschuld an den Geschehnissen gab, entlastete er sich selbst, und auch wenn er nur zu gut wusste, dass diese Lüge nicht lange halten würde, so brauchte er im Moment doch vor allem eines: einen klaren Kopf. »Es war nicht meine Schuld, hörst du?«, sagte er noch einmal. »Ich habe sie gewarnt.«
    Das Janice-Ding stieß ein leises, enttäuschtes Knurren aus und zog sich dann lautlos zurück, und hinter Mogens sagte eine Stimme: »Professor?«
    Mogens fuhr so hastig herum, dass ihm prompt schwindelig wurde und er sich abstützen musste, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Er hatte weder gehört, wie die Tür aufgegangen, noch dass Tom hereingekommen war. Der Junge stand nur zwei Schritte hinter ihm und sah mit einer Mischung aus Verwirrung und Sorge zu ihm auf. Er hatte ein schmales Bündel unter den linken Arm geklemmt und trug ein mit einem sauberen Tuch abgedecktes Tablett in den Händen.
    »Professor?«, fragte er noch einmal. »Ist alles in Ordnung?«
    Mogens riskierte es nicht, den Kopf zu schütteln, sondern sah Tom nur betroffen an. Tom seinerseits blinzelte verwundert in die Runde und fragte dann: »Mit wem haben Sie gesprochen?«
    Es lag Mogens auf der Zunge, einfach zu sagen: »Mit niemandem«, und das Thema damit und mit dem entsprechenden harschen Ton zu beenden, was Tom auch zweifellos akzeptiert hätte. Stattdessen zwang er sich zu einem schiefen Lachen und antwortete leise: »Mit niemandem, den du sehen könntest, Tom.«
    Er humpelte mit vorsichtigen kleinen Schritten zum Bett zurück und ließ sich auf die Bettkante sinken. Sein Herz pumpte, und als er sich nach dem Betttuch bückte, um seine Blöße zu bedecken, zitterten seine Hände so heftig, dass er wohl auch ohne die Bandagen Mühe gehabt hätte, es zu ergreifen. Die wenigen Schritte hatten ihn so erschöpft, als wäre er meilenweit über einen steilen Bergpfad gewandert.
    Tom sah ihn weiter verwirrt an, sodass Mogens mit einem leicht wehmütigen Lächeln hinzufügte: »Nur ein Gespenst aus meiner Vergangenheit, Tom. Es besucht mich ab und zu.«
    Fast zu seiner Überraschung konnte er dem Jungen ansehen, dass er dies wohl verstand, denn er nickte nur, trug sein Tablett zum Tisch und lud dann das mitgebrachte Bündel auf einem der Stühle ab. »Ich dachte mir, ich bringe Ihnen etwas zu essen«, sagte er. »Sie müssen sehr hungrig sein. Keine Angst«, fügte er rasch hinzu. als er Mogens’ Stirnrunzeln bemerkte, »ich habe es nicht selbst gekocht. Es ist noch von gestern übrig geblieben.«
    »Danke«, sagte Mogens. »Ich bin wirklich ein wenig hungrig. Aber woher wusstest du das?«
    »Ein wenig hungrig« war hoffnungslos tief gestapelt. Er war nicht nur zu Tode erschöpft, sondern auch so ausgehungert, dass er eine lebende Kuh verspeisen könnte.
    »Ich bitte Sie, Professor!«, sagte Tom gönnerhaft. »Nach einem so großen Blutverlust, wie Sie ihn erlitten haben, ist das vollkommen normal.«
    »Und woher weißt du das wiederum?«, wollte Mogens wissen.
    Er vermochte Toms Gesichtsausdruck nicht endgültig zu deuten, als er antwortete, aber er war irgendwie … seltsam. »Ich bin jetzt schon viele Jahre mit Doktor Graves zusammen, Professor. Und ich habe ihn in dieser Zeit wahrlich oft genug zusammengeflickt, um mir ein gewisses Wissen angeeignet zu haben.«
    Mogens blickte stirnrunzelnd auf seine zu Klumpen zusammengeschnürten Hände hinab, und Tom sagte hastig: »Das war ich nicht.«
    »Nein?«
    Tom schüttelte übertrieben heftig den Kopf. »Doktor Graves hat darauf bestanden, Ihre Hände selbst zu verbinden. Ich bin vielleicht kein guter Koch, aber für das da würde ich mich in Grund und Boden schämen. Und so schlimm sind die Verletzungen auch gar nicht – wenn Sie mich fragen.« Er fuhr ganz sacht zusammen, als wäre ihm gerade klar geworden, dass er sich möglicherweise im Ton vergriffen hatte, und fügte mit einem leicht verunglückten Lächeln und leiser hinzu: »Aber ich hab auch nicht allzu genau hingesehen.«
    Dafür sah Mogens nun umso genauer hin und entdeckte auch an Toms Handgelenk, Hals und Knöchel hellgrauen Verbandsstoff, der unter seiner Kleidung hervorlugte. Sein schlechtes Gewissen meldete sich. Er war bisher nicht einmal auf den Gedanken gekommen, dass Tom vielleicht auch verletzt sein könnte.
    »Das ist nichts«, sagte Tom hastig, als er seinen Blick bemerkte.

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