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Anubis - Roman

Titel: Anubis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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»Nur ein paar Schrammen.«
    Wenn Tom nicht darüber reden wollte, dann war das seine Sache, fand Mogens. »Wenigstens warst du klug genug, dich nicht von Graves verbinden zu lassen«, sagte er.
    Tom lachte, aber es konnte nicht darüber hinwegtäuschen, wie unangenehm ihm das Thema war. Mogens beschloss, es zu wechseln.
    »Ist Doktor Graves schon oft schwer verletzt worden?«, fragte er.
    »Das eine oder andere Mal«, antwortete Tom und begann unbehaglich von einem Fuß auf den anderen zu treten. Im nächsten Augenblick zwang er sich zu einem jungenhaften Grinsen und drohte Mogens spöttisch mit dem Finger. »Sie wollen mich aushorchen, Professor«, sagte er. »So etwas gehört sich nicht.«
    Mogens blieb ernst. »Ja«, sagte er geradeheraus. »Meinst du denn nicht auch, dass es allmählich an der Zeit wäre, mir alles zu erzählen, Tom?«
    »Professor?«
    »Stell dich nicht dumm, Tom – und behandle mich nicht, als wäre ich dumm«, sagte Mogens, allerdings in einem Ton, der den Worten den allergrößten Teil ihrer Schärfe gleich wieder nahm. »Graves hat mir eine Menge verraten, aber gewiss nicht alles.«
    »Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen, Professor«, antwortete Tom. Sein Ton war merklich kühler geworden. »Wenn da etwas ist, was Sie nicht verstehen, dann sollten Sie Doktor Graves fragen. Ich bin nur sein Gehilfe.«
    Mogens konnte fast körperlich fühlen, wie die Stimmung kippte; als wären die Temperaturen im Raum schlagartig um mehrere Grade gesunken. Er bedauerte das. Tom war der Letzte, dem er irgendeinen Vorwurf machen wollte. Aber nun, wo er einmal so weit gegangen war, konnte er ebenso gut auch weitermachen. Es gab zwar keinen wirklichen Grund dafür, aber tief in sich spürte Mogens, dass seine Zeit ablief.
    »Das ist wohl wahr«, antwortete er. »Unglückseligerweise weicht der Doktor meinen entsprechenden Fragen aus. Dortunten ist noch mehr als ein fünftausend Jahre altes Grab, habe ich Recht?«
    Tom begann sich regelrecht zu winden, aber sein Gesicht nahm zugleich auch einen Ausdruck von Verstocktheit an, und Mogens begriff, dass er nichts weiter aus ihm herausholen würde. Er hatte das zerbrechliche Verhältnis zwischen ihnen vollkommen umsonst belastet.
    »Ich muss jetzt gehen, Professor«, sagte Tom kühl. »Es ist schon spät, und ich hab noch viel zu tun.« Er deutete, schon im Herumdrehen, auf das Bündel, das er auf den Stuhl gelegt hatte. »Ich hab Ihnen saubere Kleidung gebracht. Doktor Graves ist zwar der Meinung, Sie sollten wenigstens ein paar Stunden schlafen, aber ich glaub, das werden Sie sowieso nicht tun.«
    Mogens wartete, bis er bei der Tür war und die Hand nach der Klinke ausstreckte, dann sagte er: »Noch eine letzte Frage, Tom.«
    Tom blieb zwar deutlich widerwillig stehen, aber er blieb stehen und sah stumm über die Schulter zu ihm zurück.
    »Gestern Nacht, Tom«, sagte Mogens. »In der Tempelkammer. Du hast deine Lampe auf das Tor gerichtet.«
    Tom nickte. Sein Gesicht erstarrte zu Stein.
    »Was hast du gesehen, Tom?«, fragte Mogens.
    Tom starrte ihn eine weitere, endlose Sekunde lang ausdruckslos an, dann sagte er kühl: »Ich weiß nicht, wovon Sie reden, Professor«, und verließ fast fluchtartig das Haus.

Mogens blieb nicht nur vollkommen verstört zurück, sondern auch mit einem überaus schlechten Gewissen. Er hatte Tom nicht einfach nur verunsichert, sondern auch zutiefst verletzt, und das hatte er ganz gewiss nicht gewollt. Zugleich fragte er sich allerdings auch, warum Tom so überaus verschreckt auf diese Frage reagiert hatte.
    Die Antwort war so offensichtlich, dass Mogens ganz automatisch den Kopf schüttelte, sie sich überhaupt hatte stellen zu müssen. Er hatte etwas gesehen, und es hatte ihn erschreckt – aber kein bisschen überrascht.
    Wieso aber konnte er sich nicht daran erinnern?
    Mogens spürte, wie seine Gedanken schon wieder auf Pfaden zu wandeln begannen, die sie am Ende vielleicht genau dorthin führen würden, wo das Janice-Ding in der Dunkelheit wohnte, und das würde er im Moment nicht ertragen.
    Mogens wandte sich einem näher liegenden Problem zu: Tom hatte ihm zwar frische Kleider gebracht, aber mit seinen bandagierten Händen war er kaum in der Lage, sie hochzuheben, und ganz gewiss nicht, sie anzuziehen. Darüber hinaus musste er wissen, was mit seinen Händen geschehen war. Tom hatte behauptet, die Verletzung wäre nicht so schlimm, aber auf der anderen Seite hatte Graves darauf bestanden, sie ihm höchstpersönlich und noch

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