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Anubis - Roman

Titel: Anubis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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trug er jedoch kein Glas oder Becher in der Hand, sondern eine flache Emailleschüssel und einen Schwamm, mit dem er behutsam Miss Preusslers Lippen betupfte. Er wartete geduldig, bis sie die Tropfen mehrmals hintereinander abgeleckt hatte, dann tauchte er den Schwamm tiefer in seine Schüssel, drückte ihn aus und begann anschließend sehr behutsam, ihr Gesicht und ihren Hals zu säubern.
    Die Zärtlichkeit, mit der Tom zu Werke ging, rührte Mogens. Trotz der ohnehin nicht wirklich ernst gemeinten kleinen Zänkereien zwischen ihnen hatten sich Tom und Miss Preussler vom ersten Moment an gut vertragen, nun aber fragte er sich, ob Tom nicht möglicherweise mehr in ihr sah; vielleicht die Mutter, die ihm viel zu früh weggenommen worden war.
    »Fühlen Sie sich jetzt besser?«, fragte er, nachdem er fertig war und die Schüssel neben sich auf den Boden gestellt hatte. Die Hände wischte er sich kurzerhand an der Jacke ab, und Mogens war sicher, in Miss Preusslers Augen trotz ihres bejammernswerten Zustandes ein missbilligendes Funkeln zu erkennen.
    »Viel besser«, sagte sie. »Danke, Thomas. Du bist ein guter Junge.«
    Tom war das unübersehbar peinlich. Er stand hastig auf, trug die Schüssel zurück zum Tisch und beschäftigte sich einige Augenblicke lang damit, vermutlich vollkommen sinnlos herumzuklappern.
    Gerade, als er zurückkam, drang von draußen Graves’ Stimme herein. Mogens konnte die Worte nicht verstehen, aber sie klangen sehr laut und überaus wütend. Nur einen Augenblick später hörten sie das Zuschlagen einer Autotür, und ein Automobil fuhr weg.
    »Das klingt nach Ärger«, sagte Tom.
    Wahrscheinlich war es gut, dass Mogens nicht dazu kam, darauf zu antworten, denn Tom hatte noch nicht ganz zu Ende gesprochen, als die Tür aufflog und ein äußerst übellauniger Graves hereinstampfte.
    »Dummköpfe!«, schimpfte er. »Verdammtes Ignorantenpack! Und so was nennt sich Wissenschaftler!«
    »Was ist passiert?«, fragte Mogens.
    Graves wedelte ärgerlich mit einem schmal zusammengefalteten Blatt Papier, auf dem ein amtlich aussehendes Siegel prangte. »Unsere geschätzten Kollegen von nebenan«, ereiferte er sich.
    »Die Geologen?«, fragte Tom.
    »Maulwürfe!«, stieß Graves fast hasserfüllt hervor. »Verdammte Dreckwühler! Sie sind einfach nicht in der Lage, über den Rand der Löcher hinauszublicken, die sie selbst gebuddelt haben! Aber das lasse ich nicht auf mir sitzen. Diese so genannten Wissenschaftler werden sich noch wundern!«
    Dann, ganz plötzlich, verschwand der wütende Ausdruck wie weggeblasen von seinem Gesicht und machte einem breiten Grinsen Platz. »War ich überzeugend?«, fragte er.
    Mogens blinzelte, und auch Tom sah ihn mit einem Ausdruck vollkommener Verwirrung an.
    »Doktor Graves?«
    Graves’ Grinsen wurde noch breiter, während er das Schriftstück mit einer nachlässigen Bewegung in der Innentasche seines Jacketts verschwinden ließ. »Ich hoffe doch, ich war überzeugend. Schließlich wollte ich unseren geschätzten Ordnungshüter nicht enttäuschen.«
    »Was war das für ein Schreiben, das er dir übergeben hat?«, fragte Mogens.
    Graves machte eine wegwerfende Handbewegung »Ein Gerichtsbeschluss, den unsere geschätzten Kollegen erwirkt haben«, antwortete er. »Er verbietet mir und jedem Mitglied meiner Gruppe, die Höhle noch einmal zu betreten, bevor sich nicht eine Kommission von Sachverständigen davon überzeugt hat, dass von unserer Arbeit keine Gefahr ausgeht. Ich kann mir schon vorstellen«, fügte er in verächtlichem Ton hinzu, »wie sich diese ›Kommission‹ zusammensetzt!«
    »Wir dürfen unsere Arbeitsstelle nicht mehr betreten?«, fragte Tom ungläubig.
    »Bei Androhung einer Strafe von tausend Dollar«, bestätigte Graves fröhlich. »Für jedes Mal, wenn wir gegen diesen Beschluss verstoßen.«
    »Aber das können sie doch nicht!«, protestierte Tom.
    »Ich fürchte, sie können es doch«, antwortete Graves und schlug mit der flachen Hand dorthin, wo er das Blatt unter seinem Jackett trug.
    »Mit welcher Begründung?«, wollte Mogens wissen.
    Graves machte ein abfälliges Geräusch. »Unsere verehrten Kollegen «, antwortete er mit einer Betonung, als spräche er über etwas ausnehmend Ekelhaftes, »sind der Meinung, dass unsere Ausgrabungen ihre Messungen beeinträchtigen. Und man ›könne nicht ausschließen, dass von ihnen auch eine erhebliche Gefahr für die Stadt und Leib und Leben ihrer Bewohner ausgehe‹ . Idioten!«
    Irgendwie machte

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