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Anubis - Roman

Titel: Anubis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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antwortete Mogens. »Betty Preussler. Wenn Sie die Adresse brauchen, kann ich sie Ihnen geben.«
    »Das wird nicht nötig sein«, antwortete Wilson. »Jedenfalls im Augenblick nicht. Ich nehme an, dass Sie noch einige Zeit hier bleiben werden – nur wenn ich doch noch eine Frage haben sollte.«
    »Und welche Frage könnte das sein?«, fragte Graves. Warum auch immer, er schien es darauf angelegt zu haben, Wilsons Misstrauen zur Gewissheit zu machen.
    »Zum Beispiel die, wann Sie Miss Preussler das letzte Mal gesehen haben«, antwortete Wilson kühl, »und ob es zu ihren Gewohnheiten gehört, unbekleidet auf Friedhöfen herumzulaufen.«
    Graves ignorierte den zweiten Teil seiner Frage. »Gestern Abend«, sagte er. »Miss Preussler hat uns das Abendessen zubereitet – ein ganz vorzügliches Abendessen, nebenbei bemerkt –, und danach haben wir uns zurückgezogen. Wir gehen hier früh schlafen, müssen Sie wissen. Wir arbeiten vierzehn Stunden am Tag, manchmal auch mehr.«
    Wilson zog es vor, die Spitze zu überhören. »Und heute?«, fragte er.
    »Wir haben seit Sonnenaufgang gearbeitet«, antwortete Graves. »Das Frühstück bereiten wir uns im Allgemeinen selbst. Miss Preussler ist nicht unsere Köchin. Sie ist nur hergekommen, um Professor VanAndt zu besuchen. Deshalb ist ihr Fehlen auch bisher niemandem aufgefallen. Ich glaube, wir alle sollten uns in Miss Preusslers Namen bei Ihnen bedanken, Wer weiß, wie es ihr ergangen wäre, wären Sie nicht zufällig im richtigen Moment vorbeigekommen.«
    »Das war kein Zufall«, antwortete Wilson.
    Graves lächelte knapp, kramte eine Zigarette aus seiner Westentasche und schnippte fast in der gleichen Bewegung ein Streichholz an. Lag es wirklich nur an der winzigen, grell flackernden Flamme, dass Mogens den Eindruck hatte, irgendetwas versuche mit aller Kraft, aus dem Gefängnis seiner schwarzen Handschuhe zu entkommen?
    »Sondern?«, fragte Graves, nachdem er einen ersten, tiefen Zug genommen und eine graue Rauchwolke zielsicher in Wilsons Gesicht gesabbert hatte.
    »Ich war ohnehin auf dem Weg zu Ihnen, Doktor Graves«, antwortete Wilson ungerührt.
    »Und warum?«
    »Ich fürchte, dass ich in einer etwas unangenehmen Angelegenheit zu Ihnen komme«, antwortete Wilson, wobei er sich nicht die geringste Mühe gab, zu verhehlen, wie sehr er diese Worte genoss. »Ich habe Ihnen ein Schreiben des Gerichts zu übergeben.«
    »Welchen Inhalts?«, fragte Graves ungerührt.
    Auf dem Bett ließ Miss Preussler einen sonderbaren Laut hören; eine Mischung aus einem Stöhnen und etwas, das vielleicht ein Wort werden sollte, aber nur zu einem verschwommenen Murmeln wurde. Dennoch warf Wilson einen fast schuldbewussten Blick in ihre Richtung und deutete dann zur Tür. »Vielleicht besprechen wir das lieber draußen«, schlug er vor.
    Graves deutete ein Schulterzucken an und wandte sichohne ein weiteres Wort zur Tür; wenn auch nicht, ohne Mogens einen warnenden Blick zuzuwerfen, ihm bloß nicht zu folgen.
    Mogens hatte nichts dergleichen vorgehabt. Wenn Graves Probleme mit der Justiz hatte, so interessierte ihn das allerhöchstens insofern, dass sie gar nicht groß genug sein konnten. Er wartete gerade lange genug ab, bis Graves und der Sheriff das Haus verlassen hatten, dann ließ er sich behutsam auf die Bettkante sinken und griff nach Miss Preusslers Hand.
    Ihre Haut fühlte sich warm an, auf eine unangenehme Art warm: fiebrig. Sie reagierte auf die Berührung, wenn auch erst nach einer geraumen Weile – sie drehte mühsam den Kopf und sah ihn an, und nachdem weitere, schier endlose Sekunden verstrichen waren, erschien die Andeutung eines Lächelns auf ihren Zügen.
    »Professor«, sagte sie.
    »Mogens«, antwortete Mogens. »Meine Freunde nennen mich Mogens.« Er machte eine rasche, abwehrende Bewegung, als Miss Preussler antworten wollte, denn er konnte ihr ansehen, wie sehr sie das Sprechen anstrengte. »Nicht reden«, sagte er.« Es ist alles in Ordnung. Sie sind jetzt bei uns. Hier kann Ihnen niemand etwas tun.«
    Tom sah ihn an, als hege er gewisse Zweifel an dieser Behauptung, und auch Miss Preussler sah nicht wirklich überzeugt aus, oder gar beruhigt.
    »Möchten Sie etwas trinken?«, fragte er. Miss Preussler fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen, fast als müsse sie erst prüfen, ob sie tatsächlich durstig war. Mogens wollte sich mit einer entsprechenden Bitte an Tom wenden, doch der Junge war bereits aufgestanden und eilte zum Tisch. Als er zurückkam,

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