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Anubis - Roman

Titel: Anubis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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nur auf lebenslange beharrliche Übung zurückgehen konnte, zog sie einen Staublappen aus der Schürzentasche und entfernte in Windeseile die mikroskopisch kleinen Ascheflocken vom Boden, dann schraubte sie sich mit einer fast noch unglaublicher wirkenden Bewegung wieder in die Höhe und strahlte Mogens so herzlich an, dass ihm der Rest seines vorbereiteten Hinauswurfs buchstäblich im Halse stecken blieb.
    »Ja, mein lieber Professor?«, fragte sie. »Sie wollten etwas sagen?«
    »Nichts«, murmelte Mogens. »Es war … nichts.«
    »Das glaube ich Ihnen nicht«, antwortete Miss Preussler. Plötzlich und übergangslos wurde sie sehr ernst. Sie trat einen Schritt auf ihn zu, legte den Kopf in den Nacken, um ihm weiter ins Gesicht blicken zu können, und kam noch näher. In ihren Augen erschien ein Ausdruck, der eine ganze Reihe misstönender Alarmglocken hinter Mogens’ Stirn anschlagen ließ. Er schickte ein Stoßgebet zum Himmel, dass sich Miss Preussler nicht ausgerechnet diesen Moment auserkoren hatte, um ihre Taktik zu ändern und die Festung seiner Tugendhaftigkeit im Sturmangriff zu nehmen. Ganz instinktiv versteifte er sich. Er wäre vor ihr zurückgewichen, wenn er es nur gekonnt hätte, aber er stand bereits mit dem Rücken an der Tür.
    »Ich weiß, es ist ein denkbar schlechter Augenblick, um damit anzufangen, Professor«, begann Miss Preussler. Mogens gab ihr in Gedanken nur zu Recht. Der Augenblick war denkbar schlecht, ganz egal, was sie ihm nun sagen wollte. »Aber ich kam leider nicht umhin, den Inhalt dieses Telegramms zur Kenntnis zu nehmen. Ich bin … ein bisschen erschrocken, wenn ich ehrlich sein soll.«
    »So?«, fragte Mogens spröde.
    »Professor, lassen Sie mich ganz offen sein«, fuhr Miss Preussler fort. Sie kam noch näher. Ihr wogender Busen berührte jetzt fast Mogens’ Brust, und er konnte riechen, dass sie frisches Parfum aufgelegt hatte. Ein ziemlich aufdringlicher, aber auch ein wenig muffiger Geruch, wie er fand. »Sie wohnen jetzt seit mehr als vier Jahren hier. Aber Sie sind für mich vom ersten Tag an weit mehr als ein normaler Gast gewesen. Es fällt mir ein wenig schwer, es zuzugeben, aber wahr ist, dass ich eine gewisse … Sympathie …«
    »Natürlich ist es mir aufgefallen, Miss Preussler«, fiel ihr Mogens ins Wort, wobei er sich im Stillen allerdings fragte, ob er nicht gerade einen schweren Fehler beging. »Es ist nur so, dass …«
    »Sie tragen sich doch nicht etwa mit dem Gedanken, Thompson zu verlassen«, unterbrach ihn Miss Preussler. Die Worte wurden von einem schweren, tiefen Atemzug begleitet, der bewies, wie schwer es ihr fiel, sie auszusprechen. »Ich meine: Natürlich ist mir klar, dass ein Mann Ihres Niveaus und Ihrer Bildung an einer Universität wie der unseren vollkommen unterfordert ist. Es ist ja nur eine kleine Fakultät, an der sicher nicht die weltbewegendsten Forschungen getätigt werden. Trotzdem hat sie aber ihre unbestreitbaren Vorzüge. Das Leben verläuft in geregelten Bahnen, und eine Frau kann auch nach Dunkelwerden noch allein auf die Straße gehen, ohne Angst haben zu müssen.«
    Mogens fragte sich, wie viele Argumente Miss Preussler wohl noch zugunsten einer Stadt finden mochte, zu deren Gunsten es keine Argumente gab . Etwas sehr Sonderbares geschah, mit dem Miss Preussler nicht nur ganz bestimmt nicht gerechnet, sondern das sie wohl auch zutiefst erschreckt hätte, hätte sie davon gewusst: Während sie fortfuhr, die fadenscheinigsten Argumente zugunsten Thompsons vorzubringen, bewirkten ihre Worte das genaue Gegenteil. Mit einem Male wurde Mogens so klar wie selten zuvor in den vergangenen vier Jahren, in welch ausweglose Lage ihn das Schicksal wirklich gebracht hatte. Bisher hatte er sich stets mit mehr oder weniger großem Erfolg eingeredet, hier im Grunde alles zu haben, was er zum Leben brauchte, doch nun wurde ihm plötzlich bewusst, dass er damit nur das Über leben gemeint hatte, nicht das Leben. Und noch etwas wurde ihm schlagartig klar: Eigentlich war er bereits fest entschlossen, das interessante berufliche Angebot, von dem in dem Telegramm die Rede war, anzunehmen.
    Seine Gedanken wanderten zurück zu jener Zeit, die ihm so unendlich weit entfernt schien, ohne es tatsächlich zu sein, und in der seine Zukunft so klar überschaubar und strahlend erschienen war, wie es überhaupt nur ging. Er hatte in Harvard als einer der drei Besten seines Jahrgangs promoviert, was niemanden überrascht hatte, und noch bis zum Abend

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