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Anubis - Roman

Titel: Anubis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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unbeschädigten Kleidern begann rapide zusammenzuschmelzen – und überlegte gerade, unter welchem Vorwand er doch zu Tom gehen und sich bei ihm entschuldigen und vor allem sich für die neuerliche Lebensrettung bedanken konnte, als er das Geräusch eines Automobils hörte, das draußen vorfuhr.
    Mogens trat ans Fenster und runzelte überrascht die Stirn. Der Wagen fuhr nicht in so halsbrecherischem Tempo wie bei seinem ersten Besuch, aber es war ganz eindeutigSheriff Wilsons Streifenwagen, und er steuerte auch diesmal direkt Graves’ Hütte an. Mogens meinte hinter der verdreckten Windschutzscheibe eine zweite Gestalt zu erkennen, die neben der des Sheriffs saß. Wilson war nicht allein gekommen.
    Ihm war klar, dass Graves alles andere als erfreut reagieren würde, dennoch verließ er die Hütte und ging mit raschen Schritten los. Es war ihm gleich, was Graves meinte. Tief in seinem Innern hatte er längst beschlossen, nicht länger hier zu bleiben. Es war ein Fehler gewesen, überhaupt zu kommen, und ein noch viel größerer Fehler, Graves zu trauen. In seinem verzweifelten Bemühen, sein Schicksal doch noch einmal herumzureißen, hatte er geglaubt, was er glauben wollte , und vergessen, was ein Teil von ihm mit unerschütterlicher Gewissheit wusste: dass alles, was Jonathan Graves berührte, unweigerlich verderben musste.
    Er hatte sich nicht getäuscht: Wilson war nicht allein gekommen. Während er aus dem Wagen stieg und seinen übergroßen Hut aufsetzte, öffnete sich auch die Beifahrertür, und ein untersetzter, elegant gekleideter Mann mit schütterem Haar und Brille stieg aus. Er wäre Mogens viel sympathischer gewesen, hätte er sich nicht mit Blicken umgesehen, in denen mühsam verhaltene Wut funkelte.
    »Sheriff Wilson.«
    »Professor.« Wilson tippte wieder mit zwei Fingern an den Rand des Cowboyhutes und schenkte ihm ein knappes, aber eindeutig ehrlich gemeintes Lächeln. Sein Begleiter drehte sich um und sah Mogens mit einem Ausdruck gelinder Überraschung an, der vermutlich seinem akademischen Titel galt. Er sagte nichts, aber der Zorn in seinen Augen schien sogar noch zuzunehmen. Mogens verstand das nicht.
    Er kam auch nicht dazu, eine entsprechende Frage zu stellen, denn in diesem Moment flog die Tür hinter ihnen so ungestüm auf, dass sie mit einem Knall gegen die Wand prallte, und Graves stürmte heraus.
    »Steffen!«, brüllte er. Sein Gesicht war vor Wut rot angelaufen. »Wie oft muss ich Ihnen noch sagen, dass …«
    Er brach mitten im Wort ab, als er Mogens bemerkte, atmete hörbar ein und wandte sich dann mit einer gezwungen ruhigen Bewegung zu Wilson um.
    »Sheriff Wilson, ich fordere Sie auf, diesen Mann von meinem Grund und Boden zu entfernen. Doktor Steffen und seine Mitarbeiter haben von mir ausdrückliches Hausverbot erhalten.«
    Steffen setzte zu einer geharnischten Erwiderung an, doch Wilson brachte ihn mit einem raschen Blick zum Verstummen und wandte sich direkt an Graves. »Das ist mir bekannt, Doktor Graves«, sagte er. »Ich bitte Sie jedoch, Doktor Steffen zumindest anzuhören. Was er zu sagen hat, könnte wichtig sein – auch für Sie und Ihre Mitarbeiter.«
    Graves’ Miene verdüsterte sich womöglich noch mehr, aber er schluckte die wütende Antwort, die ihm auf der Zunge lag, herunter und zwang sich zu einem abgehackten Nicken.
    »Doktor.« Wilsons Stimme enthielt mehr als dieses eine Wort; nämlich die inständige Bitte, sich zu beherrschen und die Situation nicht noch schlimmer zu machen, indem er Öl ins Feuer goss. Vielleicht war Graves nicht der Einzige hier, der zu cholerischen Wutausbrüchen neigte.
    Steffen atmete tief ein, aber als er antwortete, klang seine Stimme so sachlich wie die eines Dozenten, der seinen Studenten im Hörsaal einen Vortrag hielt. »Es gab ein Erdbeben in der vergangenen Nacht, Doktor Graves. Ein ziemlich heftiges Beben sogar.«
    »So?«, fragte Graves. »Mir ist nichts dergleichen aufgefallen. Ich habe geschlafen.«
    Mogens war in diesem Moment froh, dass weder Wilson noch sein Begleiter in seine Richtung sahen, denn er konnte ein erschrockenes Zusammenzucken nicht unterdrücken. Graves setzte der Unverfrorenheit aber noch die Krone auf, indem er sich direkt an ihn wandte. »Ist Ihnen irgendetwas aufgefallen, Professor VanAndt?«
    Mogens war so perplex, dass er ganz automatisch den Kopf schüttelte. Steffen warf ihm einen kurzen, prüfenden Blick zu und wandte sich dann wieder an Graves, ohne dass man seinem Gesicht ansehen konnte, zu

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