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Anubis - Roman

Titel: Anubis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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riesigen Pranken fest; so als hätte sie Mogens’ nächste Bewegung schon vorausgeahnt, noch bevor er selbst sich ihrer bewusst wurde: Mogens zog die Knie an, um dem Ungeheuer die Füße in den Leib zu rammen, aber das Ding blockierte seine Beine mit der anderen Pfote.
    »Professor?«
    Der Griff des Ungeheuers war so hart wie Stahl. Mogens spürte, dass er nicht einmal die Spur einer Chance hatte, sichzu befreien, aber er kämpfte trotzdem mit der Kraft eines Wahnsinnigen weiter, warf sich herum, schrie und wand sich und versuchte zu treten. »Professor! Hören Sie auf! So beruhigen Sie sich doch!«
    Mogens beruhigte sich nicht, sondern kämpfte im Gegenteil nur noch mit viel größerer Kraft, und eine Hand klatschte in sein Gesicht und warf seinen Kopf mit solcher Gewalt herum, dass ihm die Luft wegblieb. Erst nach einer Sekunde sah er wieder auf, und es verging noch ein weiterer, quälend schwerer Herzschlag, bis das Gesicht des Albtraummonsters über ihm zerfloss und sich neu und auf fast unheimliche Weise zu dem eines Jungen mit fast mädchenhaft zerbrechlichen Zügen und schulterlangem blondem Haar zusammensetzte. Was sich nicht änderte, war der stählerne Griff, mit dem er Mogens’ Handgelenke zusammenpresste.
    »Alles in Ordnung mit Ihnen, Professor?«, fragte Tom. Nicht nur sein Blick, sondern vor allem der besorgte Ton in seiner Stimme machte Mogens klar, dass er nur ja zu sagen bräuchte, um sich für alle Zeiten in Toms Augen lächerlich zu machen.
    »Tom?«, murmelte er. »Du?«
    Er zwang sich mit einer gewaltigen Willensanstrengung, seine Muskeln zu entspannen. Es verging noch ein Moment, aber als Tom spürte, dass Mogens’ Widerstand erlahmte, ließ er seine Handgelenke los, und einen Moment später zog er auch die andere Hand zurück, die Mogens’ Knie blockierte.
    »Ist alles in Ordnung, Professor?«, fragte er zögernd.
    Nichts war in Ordnung. Mogens hätte über die Frage gelacht, hätte er die Kraft dazu gehabt. »Entschuldige, Tom«, sagte er. »Es tut mir Leid. Ich … hatte wohl einen Albtraum.«
    »Und dazu hast du auch allen Grund, Mogens.« Es war nicht Tom, der diese Worte sagte, und Mogens erkannte die Stimme schon mit der ersten Silbe, die sie aussprach. Und dennoch – nein: deswegen  – dauerte es eine ganze Sekunde, bevor er die Kraft aufbrachte, den Kopf zu drehen und den Sprecher anzublicken.
    »Jonathan?«, hauchte er ungläubig.
    »Immerhin erinnerst du dich noch an meinen Namen«, sagte Graves spöttisch. Er lehnte mit vor der Brust verschränkten Armen an der Wand neben der Tür und sah mit einem Ausdruck auf Mogens herab, den dieser nicht zu deuten vermochte, der aber alles andere als angenehm war. »Das gibt Anlass zur Hoffnung. Vielleicht haben die Steine doch nicht alle deinen Kopf getroffen.«
    Mogens nahm seine Worte nicht einmal zur Kenntnis. Tom ließ ihn endgültig los – wenn auch erst, nachdem er Graves einen fragenden Blick zugeworfen und dieser mit einem kaum merklichen Nicken sein Einverständnis signalisiert hatte –, und Mogens richtete sich in eine halb sitzende Position auf.
    »Du … du lebst?«, murmelte er.
    Graves sah ihn an, als müsse er ernsthaft eine Sekunde über diese Frage nachdenken. Auch dann antwortete er nicht sofort, sondern faltete die Arme auseinander, streifte seinen Hemdsärmel hoch und kniff sich selbst in den Unterarm.
    »Au!«, sagte er. Dann wandte er sich grinsend an Mogens. »Ja, es fühlt sich zumindest so an, als wäre ich noch am Leben.« Sein Lächeln erlosch übergangslos. »Das ist mehr, als man um ein Haar von dir hätte behaupten können, Mogens. Wenn Tom nicht gewesen wäre, würden wir dieses Gespräch hier wohl kaum führen. Aber ich müsste mich wieder mit diesem Dummkopf von Sheriff herumschlagen.«
    Mogens sah ihn verständnislos an, und Graves deutete mit einem glänzenden schwarzen Handschuh auf Tom. »Tom hat dir das Leben gerettet, Mogens. Gib Acht, dass das nicht zu einer schlechten Angewohnheit wird.«
    Mogens blickte verständnislos von einem zum anderen. Graves grinste schon wieder, während Tom eindeutig mit jeder Sekunde verlegener wurde.
    »Das war pures Glück«, sagte er stockend. »Ich war im richtigen Augenblick da, aber das war auch alles.«
    »Ja, und mit ein bisschen weniger Glück wärst du jetzttot«, fügte Graves hinzu. Er schüttelte den Kopf. »Du bist zu bescheiden, Tom.«
    »Ich erinnere mich kaum, was passiert ist«, sagte Mogens – was nur zu einem geringen Teil der Wahrheit

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