Anwältin der Engel
der Gemeinde ankündigten: die Denville-Farm-Tage, das Pfannkuchenessen der ortsansässigen Elks, ein Kürbisfest, das von der lokalen Baptistengemeinde gesponsert wurde. Der Fußboden des großenEssraums war mit schwarzen und weißen Linoleumplatten ausgelegt. Vor dem Tresen stand ein rundes Dutzend roter Plastikhocker. In einer Glasvitrine wurden Kuchen und Obsttorten offeriert. Es roch nach Brathuhn, Pommes frites und Gegrilltem. Bree liebte Diner. Sie liebte die braunen Bratkartoffeln, die Pfirsichkuchen und die in Butter schwimmende Maisgrütze. Das Einzige, was sie dort nicht liebte, war der Kaffee, der meistens verbrannt schmeckte und wahrscheinlich unzählige Male aufgewärmt worden war. Bree blieb in der offenen Tür stehen und machte der Kellnerin, die gerade einen Tisch abwischte, ein Zeichen.
»Haben Sie was dagegen, wenn mein Hund vor der Tür sitzt, während ich hier drin bin?«
Die Kellnerin, eine Frau in den Vierzigern mit hellbraunem, zu einem Pferdeschwanz gebundenem Haar, winkte ab. »Bringen Sie ihn doch mit rein, Schätzchen. Wenn der Sheriff vorbeikommt, setzen Sie sich eine Sonnenbrille auf und behaupten, das sei Ihr Blindenhund.«
Bree nahm am Tresen Platz. Trotz des Pick-ups vor dem Gebäude waren sie und Sascha die einzigen Gäste. Die Kellnerin klatschte ihren Lappen auf den Tresen, zog einen Bestellblock aus der Tasche und stützte die Ellbogen auf. Auf die Tasche ihrer karierten Bluse war mit rotem Zwirn der Name Kayla gestickt.
»Was darf ’s sein?«
»Einen Eistee, bitte. Und vielleicht ein Stück Pfirsichkuchen.« Bree lächelte die Kellnerin an. »Ich heiße übrigens Bree. Und das ist Sascha.«
»Okay, Bree. Und für den großen Jungen hier?« Sie wies mit dem Kopf auf Sascha. »Ich glaube, wir habenhinten noch einen schönen Knochen von dem Schmorbraten gestern Abend.«
»Da würde er sich freuen. Danke.«
Bree machte es sich auf dem Hocker bequem. Sie spürte, wie die Verspannung allmählich aus Schultern, Nacken und Rücken wich. Sie war zwanzig Minuten von zu Hause entfernt. Wenn sie vernünftig wäre, würde sie hinter dem großen schmiedeeisernen Tor von Plessey bleiben und telefonisch mitteilen, dass sie ihr Leben in Savannah und in der Angelus Street aufgab. Sie würde sich einen netten, anspruchslosen Job suchen. Vielleicht einen wie diesen hier, bei dem die einzigen Risiken darin bestanden, dass an Samstagabenden Betrunkene aufkreuzten und Krawall machten. Sie schloss die Augen, weil die durch das Fenster hereinscheinende Sonne sie blendete, und dachte zum ersten Mal seit Tagen an gar nichts.
Plötzlich sprang Sascha auf und knurrte.
»Bree? Bist du’s wirklich?«
Bree richtete sich ruckartig auf. Der Besitzer des Pick-ups – es konnte niemand anders sein – stand am anderen Ende des Tresens und lächelte sie an. Brees Herzschlag beschleunigte sich. »Abel?«, sagte sie. »Abel?« Sie sprang vom Hocker und warf sich ihm in die Arme.
Obwohl sie selbst recht groß war, kam sie sich gegenüber Abel immer ziemlich klein und weibchenhaft vor. Sie schmiegte sich eine ganze Weile lang an seine breite, muskulöse Brust, wich jedoch zurück, als sie das breite Grinsen der Kellnerin und Saschas perplexen Gesichtsausdruck bemerkte.
»Wie lange ist es her? Fünf Jahre?«, fragte sie mit heiserer Stimme. Errötend trat sie zurück und nahmwieder auf dem Hocker Platz. Dann griff sie nach dem Eistee und trank einen großen Schluck, wobei sie dem Drang widerstand, sich den Eistee zur Abkühlung über den Kopf zu gießen. »Wirklich schön, dich zu sehen, Abel«, sagte sie.
Er lehnte sich gegen den Tresen und hakte die Daumen in die Gürtelschlaufen seiner Jeans. Das war das Einzige, was darauf hinwies, dass er ebenfalls die Fassung verloren hatte. Seine grauen Augen blickten so fest wie immer drein. Doch sein schwarzes Haar wies Spuren von Grau auf. Wie alt war er jetzt? Zweiundvierzig oder dreiundvierzig. Mindestens. Sein Gesicht wirkte wettergegerbt, sein Lächeln wie früher.
»Du siehst wunderbar aus«, sagte er.
»Vielen Dank, der Herr. Du aber auch. Wie ich sehe, suchst du dir nach wie vor Jobs in der freien Natur.« Sie zeigte auf seine Hände. »Du bist ja so gebräunt wie ein alter Sattel. Und die Schwielen an deinen Händen stammen sicher nicht daher, dass du quadratische Gleichungen an die Tafel kritzelst.« Sie zog die Augenbrauen zusammen. »Es sind doch quadratische Gleichungen, von denen ihr Mathematiker dauernd redet, oder? Mathematik ist ja so
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