Anwältin der Engel
befürchtete, dass wieder etwas aus dem Spiegel kommen würde. Sie hatte Angst davor einzuschlafen. Fürchtete sich vor ihren Träumen. »Bist du sicher, dass du nicht auch ins Bett gehen möchtest?«
»Das soll wohl ein Scherz sein! Du weißt doch, wie das bei Theaterleuten ist. Wenn grade ein Stück läuft, gehe ich nie vor drei schlafen.« Sie steuerte auf die Küche zu. Bree stand auf. Sascha erhob sich ebenfalls und schmiegte ängstlich seinen Kopf an ihr Knie.
»Warte mal. Ich hab’s mir überlegt. Ich komme mit.«
Antonia blieb abrupt stehen und starrte Bree an. »Du hast es dir anders überlegt? Willst du jetzt doch nicht nach Hause fahren?«
»Nein, nein, das bezieht sich nur auf die Pizza. Ich habe heute Abend nämlich bis auf etwas Suppe noch gar nichts gegessen.«
»Aber dann kommst du ja gar nicht zum Schlafen.«
»Macht nichts.« Sie gab Antonia einen Schubs. »Na los, lass uns aufbrechen.«
Antonia musterte ihre Schwester. »Stimmt irgendwas nicht? Du siehst … ich weiß auch nicht … irgendwie geschlaucht aus.«
Was ja nicht weiter verwunderlich ist , dachte Bree. In den letzten vierundzwanzig Stunden habe ich schließlich eine weitere abgeschiedene Seele als Klienten übernommen, habe mich mit einem Mädchen befasst, das so verkorkst ist, dass sie Hunde quält, und musste erfahren, dass ich von zwei Leichen verfolgt werde, die es geschafft haben, die Barriere zwischen unserer Welt und dem Jenseits zu überwinden, damit sie mir tüchtig einheizen können.
»Ich muss mich jetzt mit einem Glas Wein und einem leckeren Stück Pizza entspannen«, erwiderte Bree. »Schlafen kann ich ja später noch irgendwann, also vergiss es.«
In der Tat schlief sie ein, als sie bei Huey’s saßen. Einige der Schauspieler kamen vorbei, nachdem sie der Pflicht Genüge getan und die von den Stubblefields gegebene Premierenparty besucht hatten. Bree war dankbar für ihre Anwesenheit und den Lärm, den sie verursachten. Sie machte es sich in der hintersten Ecke einer Essnische gemütlich, legte den Kopf zurück und erwachte erst wieder, als Antonia sie am Haar zog. »Du sabberst«, stellte Antonia fest. »Ich musste den anderen erklären, dass du nicht die Schwester bist, die heute im Fernsehen zu sehen war, sondern die schwachsinnige Schwester, die ich normalerweise unter Verschluss halte – wie Mr. Rochester seine erste Frau. Alle haben mir geglaubt«, fügte Antonia voller Genugtuung hinzu.
Bree sah verschlafen auf ihre Armbanduhr. Vier Uhr morgens. Sie blickte zu Sascha hinunter, der am Ende der Essnische auf dem Fußboden lag, und sagte: »Was meinst du? Wollen wir sofort nach Plessey aufbrechen?«
»Jetzt gleich?«, kreischte Antonia. »Du spinnst wohl!«
»Wenn ich frühzeitig hinkomme, habe ich vor der Party noch Zeit für ein Nickerchen. Das ist besser, als sich jetzt hinzulegen.«
Und besser als das, was sie erwartete, wenn sie allein in ihrem dunklen Schlafzimmer lag.
Antonia machte ihr eine Thermoskanne mit starkem Kaffee, bevor sie im Bett verschwand. Als die Sonne aufging, fuhr Bree schon auf der I-75. Sie war in ausgesprochen heiterer Stimmung. Sascha saß angeschnallt nebenihr auf dem Beifahrersitz, während die Ängste der vergangenen Nacht wie Nebel, der sich in der Morgensonne auflöst, dahinschwanden.
Um zehn Uhr erreichte sie die Abzweigung nach Plessey. Da sie so schnell vorankam, beschloss sie, eine Pause einzulegen, um einen Kaffee zu trinken und einen Donut zu essen, bevor sie sich ins hektische Familienleben stürzte. »Wird Zeit, dass ich mir die Haare kämme und das Gesicht wasche, Sascha. Wo wollen wir denn mal haltmachen? Bei Tim Horton’s? Oder bei Dunkin’ Donuts?«
Nachdem sie die Autobahn verlassen hatte, drosselte sie das Tempo auf fünfundvierzig, sodass sie gemächlich bremsen konnte, als Sascha die Schnauze gegen das Fenster presste und ein kurzes Bellen von sich gab.
Hier !
»Im Saturn Diner?« Sie las den Slogan, der unter den Neonbuchstaben stand. » Wir stecken die Konkurrenz in die Apfeltasche . Witzig. Sehr witzig.«
Sie machte vor dem großen Fenster des Diners halt. Auf dem Parkplatz stand noch ein anderes Auto, ein alter, ziemlich ramponierter Ford Dually, den Bree sich genauer ansah, da er ihr irgendwie bekannt vorkam.
Am Müllcontainer hinter dem Haus waren weitere Autos geparkt – ein älterer Chevy und ein Toyota. Wahrscheinlich gehörten sie der Kellnerin und dem Koch.
Die gläserne Eingangstür war mit Plakaten beklebt, die Events in
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