Anwältin der Engel
Mitglied der Familie Chandler hat Stubblefield, Marwick autorisiert, der Familie Chavez fünfhunderttausend Dollar zu geben, damit sie die Anzeige gegen Lindsey zurückzieht.«
Hunter verschränkte die Arme und lehnte den Kopf gegen die Wand des Büros. »Okay. Eine ganz schöne Summe. Aber ich nehme an, die werden es sich leisten können. Und das hat dazu geführt, dass jemand Shirley Chavez ein Loch in den Schädel gepustet hat?«
Bree ignorierte Hunters Unverblümtheit. »Die Chandlers könnten es sich leisten, den Staat Rhode Island zu kaufen. Ich weiß nicht, welcher Chandler dahintersteckt. Aber das wäre wichtig, weil ich glaube, dass Shirley getötet wurde, weil sie etwas über die Einbrüche im Warenlager wusste.«
»Davon habe ich … «
Bree hob die Hand und schnitt ihm das Wort ab. »Das sind alles reine Vermutungen, Sam. Lassen Sie mich doch mal einen Moment laut denken.«
Irgendetwas in ihrer Stimme – die vor Anspannung fast schrill klang – veranlasste ihn, klein beizugeben. Vielleicht war es aber auch die Tatsache, dass sie ihn mit seinem Vornamen angeredet hatte, was selten vorkam. »Möglicherweise war es George, der die Bestechung autorisiert hat. Er scheint im Unternehmen mehr Einfluss zu haben, als man mich glauben macht. Und er ist Klient von Stubblefield, Marwick.«
»Ein reicher Erbe, der von der Pike auf dient und sich nach oben arbeitet?«, hakte Hunter nach.
Bree grinste breit. »Ja, genau. Auf dem Weg hierher habe ich meine juristische Hilfskraft angerufen, um zu hören, ob wir Informationen darüber haben, wer nach Probert Chandlers Tod was geerbt hat. Er hat festgelegt, dass seine Kinder eine relativ bescheidene Summe erhalten, sobald sie fünfundzwanzig sind. Der Rest des Familienvermögens wird treuhänderisch von seiner Frau verwaltet, die das Ganze wiederum den drei Kindern hinterlassen wird, obwohl Lindseys Geld ebenfalls treu händerisch verwaltet wird, bis sie fünfundzwanzig ist. Bei dem Gedanken, dass dieses Mädchen irgendwann ein Drittel von zwanzig Milliarden Dollar bekommt, steht einem allerdings … geradezu der Verstand still. Nun ja. Das ist eine konservative Familie – können Sie sich vorstellen, dass man seiner Frau zwanzig Milliarden Dollar vermacht? Bei solchen Riesenvermögen macht man so was heutzutage einfach nicht mehr, das können Sie mir glauben, Hunter. Schon mal deswegen nicht, weil sich daraus unzählige Steuerprobleme ergeben. Jedenfalls hat keines seiner drei Kinder von seinem Tod profitiert. Zumindest oberflächlich betrachtet nicht. Wenn Carrie Alice mit Probert im Auto gesessen hätte, wäre die Sachlage eine völlig andere.« Sie machte eine Pause, um nachzudenken. Hunter gab ein ungeduldiges Räuspern von sich. »Zu diesem Treuhandfonds gehören Unmengen stimmberechtigter Aktienanteile. Deshalb wird George in dem Unternehmen natürlich immer seinen Willen durchsetzen können, auch wenn er offiziell nur einen untergeordneten Posten hat. Ein Großteil des Vermögens besteht aus Aktien.« Bree holte tief Luft. »Ich will Ihnen mal verraten, was ich bei diesem Fall am auffälligstenfinde. Den positiven Anstrich. Die Tatsache, dass Probert von der Öffentlichkeit als armer Junge, der es geschafft hat, wahrgenommen wird. Dass George als der bescheidene Sprössling eines sparsamen, hart arbeitenden Milliardärs hingestellt wird. Das Schweigen, das über die Einbrüche gewahrt wird. Dass man Cordelia zurückgepfiffen hat, was eigentlich nahezu unmöglich ist. Und das alles nach Proberts Tod.«
»George hat also das Sagen?«
»Würde ich vermuten. Mehr als eine Vermutung ist es bisher aber nicht. Jetzt zu weiteren Rätseln. Sie wissen genauso gut wie ich, dass es rechtswidrig ist, das Opfer eines Verbrechens so, wie Payton McAllister es gemacht hat, abzufinden. Was dumm war. Denn wenn sie einen zivilrechtlichen Vergleich geschlossen hätten, würde niemand auch nur einen Gedanken daran verschwenden. Dann würden sie bloß als noch so eine stinkreiche Familie dastehen, die sich Gerechtigkeit kauft. Verstehen Sie, was ich meine? Das ist höchst absonderlich. Der einzig mögliche Grund, die Chavez auf diese Weise abzu finden, ist der, dass es schnell gehen sollte. Die Chavez ziehen die Anzeige zurück und zack! schon ist der Fall vom Tisch. Shirley hat gesagt, Payton McAllister sei noch am Tag des Überfalls auf Sophie bei ihr aufgekreuzt. George – falls George dahintersteckt – hatte jedoch nicht damit gerechnet, dass seine
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