Anwaltshure 3
Ich finde die Themen hier unendlich langweilig. Ständig geht es nur um das Geld. Als ob das alles wäre, was zählt«, sagte Jen in einer so aufrichtigen Art und Weise, dass ich mich fragte, wie sie es in diesen Kreisen denn überhaupt aushalten konnte. »Nimm Tim und Jack ... draußen ist die herrlichste Schneelandschaft, und was machen die beiden? Sitzen den ganzen Tag in einem dunklen Zimmer und tüfteln irgendwelches Zeug am Computer. Keiner kümmert sich um mich oder redet mit mir. Und dein Derek ist auch nicht besser. Rennt den ganzen Tag mit Leichenbittermiene rum und kriegt den Mund nicht auf. Na, ich danke.«
»Und was tüfteln die beiden? Ich dachte, ihr macht hier Ferien ...«
»Ferien? Doch nicht, wenn wir bei Tim sind!«
Himmel, ich war der Sache auf der Spur!
»Zahlen. Diagramme. Entwürfe. Pläne. So ein Kram. Darum geht es den ganzen Tag und die halbe Nacht.« Sie klang so genervt wie Manager-Ehefrauen fast alle nach kürzester Zeit klangen.
»Und das machen sie alles hier?«, setzte ich nach. Da gab es noch mehr zu hören!
»Ja. Und halte dir mal vor Augen: Zimmer an Zimmer, Saal an Saal ... Und wo hocken die beiden? In einem winzigen Kabuff, das gerade mal Platz für einen PC-Tisch und zwei Stühle bietet! Im zugigsten Eck der Halle! Aber was tut man nicht alles, um abhörsicher zu sein, sagt Jack. Abhörsicher ... Pah! Weißt du, er denkt, er kann mir jeden Blödsinn erzählen.«
»Aber da könnte doch etwas dran sein, wenn es da um so viel Geld geht ...«
Jen riss die Lider auf und rollte mit den Augen. »Viel Geld? Es geht um ganz unglaublich viel Geld!«
Das war es! Ich hatte mitten hinein gestochen in das Wespennest! »Siehst du! Da ist Sicherheit das oberste Gebot!«, sagte ich schulmeisterlich, und dachte an das zugigste Eck der Halle. Wo mochte das sein?
»Ja, ja ...«, sagte sie genervt. »Das sagt Jack auch immer.«
Mein Herz sackte tiefer. Mist! Ich hatte keine Ahnung, wie ich an das System rankommen sollte. Schließlich bin ich kein Hacker. Andererseits, wenn ich mich wie jeder Hacker auf das besann, was ich richtig gut konnte ...
QuickieÜberraschung
Der Schnee türmte sich mittlerweile gut einen Meter hoch. Der Himmel hatte jene schwefelige Farbe angenommen, die noch für sehr viel mehr Schnee bürgte. Die Flocken hatten sich allerdings von handtellergroßen in winzig kleine gewandelt.
»Das bedeutet, dass es noch sehr lange schneien wird«, brummte eine tiefe Stimme neben mir, während meine Blicke über die Landschaft schweiften, die langsam aber sicher im Weiß versank.
Tim war neben mich getreten und starrte mit überkreuzten Armen hinaus. »Wenn es so weiter schneit, werde ich Dobbins mit dem Snowmobil nach Clannaher schicken müssen. Sonst sitzen wir hier bald alle auf dem Trockenen.«
So viel hatte er noch nie mit mir gesprochen. Wahrscheinlich musste ich mich jetzt geehrt fühlen. »Fabelhaft. Gibt es in Clannaher einen Bahnhof, von dem aus ich nach London kommen kann?« Die Idee war weniger Idee, als vielmehr Reflex gewesen. Nein, ich musste Tim nicht einmal sehen, um seine Blicke zu spüren, die sich förmlich in mich hineinzubohren schienen und wie er versuchte, mit ihnen mein Gehirn zu durchleuchten, um herauszukriegen, was zum Teufel ich plante.
»Wieso London?«
»Erstens, weil ich mich hier oben langweile. Und zweitens, weil ich etwas Dringendes in meiner Bank zu erledigen habe.«
Eigentlich gab es in diesem Moment keine sichtbare Veränderung an ihm. Weder an seinem Körper noch an seiner Mimik oder Gestik. Und dennoch änderte sich die Aura, die ihn umgab. Eine gewisse Spannung entstand, die ich nicht wirklich erklären konnte. Oder bestand sie nur in meinem Kopf? In meinen Wünschen?
»Wenn es sich um Online-Banking handelt, kannst du es auch hier an meinem Computer erledigen.«
Luft anhalten, Muskeln spannen und – Sprung!
»Ich will Geld anlegen.«
Platsch!
»Geld anlegen? Viel Geld?«
Ich zuckte gelangweilt mit den Schultern.
Da war auf einmal eine Art Vibration, die von seiner Haut ausging und die mich an Jagdhunde erinnerte. So, wie ich sie erlebt hatte, kurz bevor der Master das Zeichen gibt, dass sie loslaufen dürfen. Dieser Ruck, der durch die Tiere geht, wenn sie die Witterung aufgenommen haben. Die Anspannung, die all ihre Sinne auf einen einzigen Punkt ihrer Existenz konzentriert. Dann schießen sie los und folgen dem einzigen Sinn, den ihre gesamte Existenz hat.
Tim war unterwegs.
»Also … Ich betreibe solche
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