Anwaltshure 3
nicht bei mir. Was willst du überhaupt?«
George hatte also mal wieder einen seiner Alpha-Männchen-Anfälle. Er rannte durch die Wohnung, riss jeden Schrank auf, schaute hinter jede Tür. Dabei brüllte der die ganze Zeit: »Derek! Komm raus!«
Da wurde es mir zu viel. Ich packte Georges Ärmel und bremste ihn aus. »Was zum Teufel regst du dich so auf?!«
»Sie werden ihn umbringen!« Sein Gesicht war kreidebleich. Wir standen uns gegenüber, die Gesichter dicht aufeinander zugeschoben.
»Sie werden was?«, fragte ich leise.
Zum ersten Mal, seit ich George kannte, sah ich Tränen in seinen Augen. Tränen des Schmerzes. Tränen der Angst und Tränen der Verzweiflung. »Sie werden meinen Jungen umbringen, Emma. Sie haben es vor.«
Mit letzter Beherrschung schob ich George zum Tisch, wo wir uns setzten.
»Woher willst du das wissen?«, fragte ich und angelte nach einem winzigen Rettungsstrohhalm.
»Ein wirklich guter Freund hat mich angerufen. Er weiß es aus allerhöchsten Kreisen. Zuverlässig. Derek hat mit den Aktionen der ›Avengers‹ in ein Wespennest gestochen.«
»Woher weißt du überhaupt, dass er dazu gehört?«
Er lehnte sich zurück und fixierte mich. »Emma, es gibt verdammt wenig, das in London vor sich geht, und von dem ich nichts erfahre. Ich habe ihn gewarnt. Wieder und wieder. Aber er wollte nicht hören. Und du hast dich ihm zur Verfügung gestellt.«
»Ich habe ... was ???«, rief ich entsetzt.
»Hast du nicht Bradford flachgelegt, damit Derek sich die für ihn notwendigen Informationen holen konnte? Du steckst doch mit drin!«
»Er hat mich entführen lassen!«, versetzte ich der Wahrheit entsprechend.
Doch George grinste mich nur an. »Er hat dich entführen lassen. Natürlich. Du würdest diesem Idioten doch barfuß in die Hölle folgen, wenn es sein müsste.«
Er zog eine Zigarette aus der Jacketttasche und zündete sie an. »Und wenn du mich fragst, wirst du dazu auch die Gelegenheit bekommen. Sie wollen ihn erschießen. Mein Freund sagte mir, ich solle zusehen, dass Derek sich stellt und keine Minute von seinem Anwalt aus den Augen gelassen wird.«
Alle Fragen, Gedanken und Gefühle schlugen über meinem Kopf zusammen wie eine gewaltige Woge.
»Aber wieso? Und wer?«
»Wer? Ich kenne keine Namen. Man lässt mich nur seit geraumer Zeit wissen, dass die ›Avengers‹ mit ihren Aktionen ins Schwarze getroffen haben. Sie haben Informationen zu den wirtschaftlichen und finanziellen Transaktionen von Leuten gesammelt, die davon gar nicht begeistert sind.«
»Das ist doch Unsinn. Niemand würde Derek deswegen umbringen.« Es war absurd, bizarr!
George schwieg und sah mich an.
Ich aber schüttelte langsam den Kopf. Fassungslosigkeit machte sich in mir breit.
»Emma, es geht dabei um derartig viel Geld, um den Ruf von wichtigen Leuten ... und Macht. Das ist eine brandgefährliche Mischung. Selbst ich kann Derek nicht mehr schützen. Hätte er sich mir früher anvertraut, dann ... ach ...« George winkte ab und schüttelte verzweifelt den Kopf. »Aber er ist ja so stur. Er hat keinen blassen Schimmer, was für Abläufe er insgeheim ausgelöst hat.«
»Oh Gott, George. Wenn ich wüsste, wo er ist ... Wenn ich irgendeine ... Was ist mit Laura?« Mit seinen mahnenden Worten hatte er mich ausgiebig eingeschüchtert. Ich war nur noch einen Schritt von der Panik entfernt.
»Nein. Entschieden nein. Er würde sie nicht in solch eine Gefahr bringen.«
Deswegen hatte er auch hier so schnell weg gewollt.
»George, es tut mir leid. Ich kann dir nicht helfen. Aber ich schwöre dir, wenn Derek sich bei mir meldet, rede ich ihm ins Gewissen.«
»Emma, er muss sich stellen! Das ist seine einzige Chance.« Mit diesen Worten stand George auf und ging zur Tür. Dort drehte er sich noch einmal um. So müde und erschöpft hatte ich ihn noch nie erlebt. »Wenn ihm irgendetwas passiert, dann ...« Sein Kopf bebte und er eilte davon, ohne seinen Satz zu beenden.
George hatte recht. Ich musste Derek finden, finden und retten. Auch wenn ich es nur tat, um ihn seiner geliebten Laura zurückzubringen. Aber wo konnte er sich verstecken? Wer würde ihm den Schutz bieten?
Natürlich! Wie elektrisiert griff ich nach dem Telefon und rief ein Taxi.
Es dauerte gefühlte fünf Stunden, bis das Taxi auf dem kleinen ummauerten Platz vor dem Haus hielt. Der Fahrer war noch nicht ausgestiegen, da rannte ich ihm auch schon entgegen, warf mich auf den Rücksitz und ertappte mich selbst dabei, dass ich nach
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