Anwaltshure 4
wegzuwischen. Als er fertig war, lehnte er sich zurück und blickte mich zufrieden an. »So. Jetzt bist du wieder ein hübsches Mädchen!«
»Danke!«
Seine Augen wanderten noch immer über mein Gesicht.
»Absolut faszinierend …«, sagte er wieder mit der Stimme eines Wissenschaftlers beim Anblick einer unbekannten Spezies.
15. Himmel oder Hölle
Nachdem ich in Darren eine wirkliche Hilfe für meinen Escort-Service gefunden hatte, war ich etwas beruhigter. Schon zwei Tage nach unserem Treffen wurde er diesbezüglich aktiv und schickte mir eine To-Do-Liste, mit allem, was ich bei einer Existenzgründung zu beachten hatte. Und mehr noch: Offensichtlich hatte er sich sogar informiert, welche Besonderheiten mit der Gründung eines Escort-Services zu beachten waren.
Ich hatte sogar schon in meinem Apartment einen Raum ausgesucht, in dem ich mein Büro, die Schaltzentrale der Agentur, einrichten wollte. Außerdem hatte ich begonnen, eine Liste mit all jenen Frauen zu erstellen, die ich im Laufe meiner Tätigkeit für George kennen und schätzen gelernt hatte. Dabei landeten bei weitem nicht nur Namen von professionellen Huren in meinem Notizbuch. Ich war entschlossen, auch solche Frauen diskret anzusprechen, um deren Sexdrive ich wusste.
Stets auch auf meine eigene Karriere bedacht, war mir klar, dass die Kunden nicht so viel Wert auf ein umwerfendes Äußeres legten – mit zu schönen Damen in Begleitung fiel man eher unangenehm auf – als vielmehr darauf, dass es sich um eine Frau handelte, mit der man einfach Spaß haben konnte. Und das bezog sich nicht nur aufs Bett. Sie musste eine gute Unterhalterin sein, recht breit gefächert informiert, charmant und offen.
Solche Frauen waren schwer zu finden, zumal, wenn sie bereit sein sollten, gegen Bezahlung mit einem Mann zu schlafen. Außerdem wollte ich Frauen, die gern vögelten und es nicht nur des Geldes wegen taten.
Es war Georges Erfolgsgarant gewesen, zumindest in meinem Fall, dass ich in Anwesenheit des Gastes nicht an das Geld dachte.
Meine Liste wuchs äußerst zögerlich. Aber ich ging davon aus, dass mir zu Beginn zwei oder drei Mädchen genügen würden. Ein positiver Nebeneffekt meiner Planungen war nicht nur, dass ich so zu einigen sehr netten Nummern mit Darren kam, sondern, dass Derek etwas aus meinem Blickfeld verschwand. Ich bildete mir sogar ein, ich hätte die ganze Sache mit ihm zu den Akten gelegt. Ein Trugschluss, wie sich bald herausstellen sollte.
Es sind oftmals nicht die großen Schläge, die uns aus der Bahn werfen, sondern vielmehr die kleinen Stiche, die zu einer Wunde werden. Diese Wunde schwärt, eitert und wird bald unerträglich.
Ich hatte es mir zur Angewohnheit gemacht, immer dann, wenn ich an ihn dachte, jene Szene auf der Tanzfläche vor mein inneres Auge zu rufen. Als wir uns zu den Walzerklängen gedreht hatten und seine Augen mit einer kaum gekannten Intensität auf mir geruht hatten. Dann bekam ich jenes heimelige Gefühl des Geliebtwerdens. Der Möglichkeit, jene Liebe anzunehmen oder eben auszuschlagen. Es gab dann in meiner Welt nur Derek und mich.
Auf immer würden mir nur die Erinnerungen bleiben.
Hatte ich einen schlechten Moment, drängten sich mir Bilder ehelicher Freuden auf. Wie er sie bestieg. Wie sie zusammen aßen. Miteinander lachten und sprachen. Wie sie ihn im Vorübergehen küsste.
Ich musste ihn mir aus dem Kopf schlagen! Ein für alle Mal!
Der Escort- Service würde entstehen. Aus mir würde eine ernst zu nehmende Geschäftsfrau werden und irgendwann würde der Mann in meinem Leben auftauchen, der mir einen Platz an seiner Seite anbot.
Um endlich Nägel mit Köpfen zu machen, beschloss ich, in die Regent’s Street zu fahren und bei einem bekannten Inneneinrichter nach passenden Möbeln für mein neues Büro zu suchen. Zwar hatte ich nur eine vage Vorstellung, wie sie aussehen sollten, doch ich vertraute auf Delacros Fachwissen und Kreativität.
Delacro hatte mich von Anfang an mit seinen Ideen beeindruckt, Gegenstände anders zu nutzen, als ihre eigentliche Bedeutung. Das Erste, was ich von ihm gesehen hatte, war eine Wand bei einem Kunden, die er mit Blecheimern und einer Gießkanne dekoriert hatte. Aus der Kanne floss echtes Wasser, das sich seinen Weg an der Wand herab von einem Eimer zum anderen suchte.
Im Sommer hatte ich einen Gartentisch von ihm erworben, unter dessen Glasplatte Wasser floss. Dieses sammelte sich dann in einem Becken am Fuß einer Schmalseite des Tisches. Ich konnte
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