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Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16

Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16

Titel: Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Nevill
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vorbei, so plötzlich, dass es ihr den Atem nahm. Sie zuckte zusammen, schnappte nach Luft und stieß einen Schrei aus. Dann sah sie über ihre behandschuhte Hand hinweg, die sie ausgestreckt hatte, um das Ding fortzuscheuchen. Am Rand ihres Gesichtsfelds bemerkte sie einen flatternden Umriss, der auf sie zuraste, eine knochige Gestalt mit etwas Rotem an der Stelle, wo der Kopf sein sollte.
    Sie schlug die Hände vors Gesicht und starrte durch ihre Finger hindurch auf den Spiegel an der Wand gegenüber dem Aufzug. Dort bauschte sich etwas Weißliches inmitten des Goldrahmens. Ruckartig drehte sie sich zur Seite, um den Ursprung der Spiegelung anzuschauen, der sich dort neben ihr befinden musste.
    Erschrocken, weil sie vor der Spiegelung zurückgewichen war und nicht vor der tatsächlichen Gestalt, taumelte sie zwei Schritte zurück und erwartete, dass sie jeden Moment damit zusammenstoßen würde.
    Aber es war niemand neben ihr. Nichts. Sie suchte das Treppenhaus und den Raum vor dem Aufzug ab, ob da irgendetwas von dem zu finden war, das eben noch auf sie zugerast war. Aber außer dem heftigen Auf und Ab ihres Brustkorbs, als sie nach Atem rang, bewegte sich dort nichts.

24
    »Was tun Sie denn da?«
    Die scharfe Stimme drang von hinten an sein Ohr. Seth musste sich nicht einmal umdrehen, um zu wissen, wer ihn da ansprach, während er gerade die Tür zum Apartment Nummer sechzehn aufschloss.
    Es war die Stimme, die er in den letzten sechs Monaten fast jede Nacht am Haustelefon gehört hatte. Aber als er sich zu Mrs. Roth umwandte, schien sie ihm verändert. Sie trug einen hellblauen Hausmantel und rote Pantoffeln, aber ihre kindliche Verletzlichkeit war verschwunden, ebenso wie die Gebrechlichkeit und Verwirrung, die er deutlich an ihr bemerkt hatte, als sie das letzte Mal vor dieser Tür zusammengetroffen waren. Diesmal war sie perfekt frisiert, als wäre das toupierte Haar, das ihren Kopf wie Watte umhüllte, heute noch nicht in Kontakt mit einem Kopfkissen gekommen. Offenbar hatte sie die ganze Nacht aufrecht im Bett gesessen und darauf gewartet, dass sie wieder diese Geräusche hörte.
    Seth fürchtete, dass man ihn wegen unerlaubten Betretens dieser Wohnung und wegen der daraus kommenden Geräusche zur Rechenschaft ziehen könnte, und wollte etwas sagen. Aber vor lauter Angst brachte er kein Wort über die Lippen. Mrs. Roth würde bestimmt spätestens bei Tagesanbruch mit Stephen darüber sprechen. Sie war nicht nur wütend, sie war geradezu außer sich, weil sie ihn mit Schlüsseln in der Hand vor dieser Tür angetroffen hatte. Ihr Gesicht war knallrot, die Unterlippe bebte, ihre kleinen Augen sprühten Hass. Sie hob einen ausgezehrten Arm, und der karierte Ärmel ihres Hausmantels rutschte zurück und entblößte die von blauen Adern durchzogene und mit Altersflecken bedeckte runzelige Haut.
    »Ich habe Sie etwas gefragt. Was tun sie da?« Ihre Stimme wurde lauter, während sie sprach, bis sie schließlich schrie. Das konnte man im ganzen Haus hören. Er hätte sie gern zum Schweigen gebracht, aber er fühlte sich viel zu schwach, um sich etwas auszudenken, das sie vielleicht besänftigte. Sie war sowieso zu schlau. Sie erkannte immer sofort die Schwäche der anderen, in diesem Fall seinen niedrigen Rang in der Hierarchie, und nutzte gern ihren Vorteil als Wohnungsbesitzerin aus. Sie war viel zu begierig, ihn vorzuführen und zu schikanieren.
    Seth schluckte. »Ich hab was gehört. Ich dachte, da ist vielleicht ein Einbrecher.«
    »Lügner. Sie sind ein erbärmlicher Lügner. Sie sind das nämlich. Sie! Sie machen den Lärm da drinnen. Ich hab’s gleich gewusst. Sie tun das, weil Sie mir Angst einjagen wollen, weil Sie wissen, dass ich genau darüber wohne. Sie sind wirklich ein schrecklicher Mensch, dass Sie eine alte Frau so quälen müssen. Ich möchte sofort mit Stephen sprechen. Holen Sie Stephen. Jetzt!«
    Ihm wurde schlecht. Er wurde diesen dicken Kloß in seiner Brust einfach nicht los. Er empfand eine Angst, wie er sie früher als Kind gehabt hatte. Dieser Frau gelang es immer wieder, ihn völlig zu verwirren.
    Verdammte Schlampe.
    Schon allein ihr Anblick machte ihn wütend und zwar so sehr, dass er am liebsten ihren ausgetrockneten klapperdürren Körper gegen die Wand geschmettert hätte. Dieser lächerlich große Kopf, die toupierten Haare, dieses spitze, bösartige Gesicht über dem kindlichen puppenartigen Körper, der nur aus schlaffem Fleisch und zerbrechlichen Knochen bestand. Warum stirbt

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