Apartment 16 - Nevill, A: Apartment 16 - Apartment 16
sie eigentlich nicht? Ihre eigene Familie verabscheut sie. Keine Pflegerin hält es bei ihr länger als einen Monat aus. Sie erniedrigt sie täglich, bis sie in Tränen ausbrechen. Für die kann man einfach nicht arbeiten. So eine kann man nicht ertragen. Mit ihren unmöglichen Forderungen hat sie sogar dem schweigsamen Stephen derart zugesetzt, dass er graue Haare bekam.
Seth spürte, wie ihn der Vernichtungsdrang von Kopf bis Fuß erfasste. Er wurde von einer Abneigung überkommen, die ihn selbst mit Angst erfüllte. Es war ein Gefühl, über das er sich zweifellos wundern würde, wenn es wieder vorbei war. Etwas, das er schon öfter an sich bemerkt hatte, an das er sich aber nicht gewöhnen konnte. Nie zuvor war er in der Lage gewesen, mit einer derartigen Intensität zu hassen oder etwas mit einer so großen Wahrhaftigkeit zu erschaffen. War ihm nicht sowieso klar, dass er gar keine Wahl hatte – dass sich etwas in ihm eingenistet hatte, das viel größer war als er selbst und das ihn hierherrief, um die Werke eine Genies zu studieren?
Endlich brachte er wieder etwas heraus, und es gelang ihm sogar, seine Wut zu unterdrücken, während er sich eine Taktik überlegte, um aus diesem Schlamassel herauszukommen. »Ich bin nachts verantwortlich für die Gesundheit und Sicherheit der Bewohner dieses Gebäudes. Und ich habe allmählich genug von dem Krach in dieser Wohnung.« Er deutete mit dem Zeigefinger auf die Tür. »Und ich kann nichts unternehmen, nur weil es irgendeine dumme Vorschrift wegen der Schlüssel gibt. Und Sie rufen mich jede Nacht an und beklagen sich über die Geräusche in dem leeren Apartment unter Ihnen. Das geht jetzt schon viel zu lange so, Mrs. Roth. Und heute Abend habe ich beschlossen, da hineinzugehen. Von mir aus können Sie Stephen anrufen, wenn Sie wollen. Es ist mir egal. Weil ich nämlich genug davon habe.«
Zuerst schien sie völlig perplex, weil jemand es wagte, in einem so aufsässigen Ton mit ihr zu sprechen. Doch dann verschwand der Zorn langsam aus ihrem Gesicht und wurde von einem Ausdruck des Misstrauens ersetzt, während sie ihn schweigend musterte und über das nachdachte, was er eben gesagt hatte. Nach einigen Sekunden hob sie ihre verkrüppelte Hand und drohte ihm mit einem arthritischen Finger. »Lügen Sie mich nicht an. Sie sind schon da drinnen gewesen. Nachts. Und haben Sachen herumgeschoben. Sie haben den Krach gemacht.«
Seth bemühte sich, so gut er konnte, machtlosen Ärger zu demonstrieren. Das war nicht schwierig, er hatte genügend Übung darin. Er schüttelte den Kopf, starrte zur Decke, als wollte er eine höhere Macht um Hilfe bitten. Er musste jetzt überzeugend klingen, auch wenn der drängende Unterton in ihrer Stimme verschwunden war: »Mrs. Roth, Sie dürfen gerne glauben, was Sie da sagen. Ich tue hier nur meine Arbeit. Würden Sie an meiner Stelle wieder nach unten gehen und einen möglichen Einbruch ignorieren? Bitte sehr.« Er schloss die Tür und ging auf die Treppe zu.
»Wo wollen Sie denn jetzt hin?«, fragte sie und fuhr mit den krummen Fingern durch die Luft.
»Ich gehe wieder nach unten, Mrs. Roth. Haben Sie das nicht von mir verlangt?«
»Seien Sie doch nicht so ein Dummkopf. Schließen Sie auf. Ich will es selbst sehen. Los, öffnen Sie. Jetzt.«
Er versuchte, ein Lächeln zu unterdrücken. Jetzt konnte er Stephen erzählen, sie habe ihn dazu gezwungen, wegen der Geräusche die Tür aufzumachen, und er habe es nur getan, um sie zu beruhigen. Er hätte vorher natürlich anrufen sollen, aber er habe Stephen nicht wecken wollen, er wisse ja, wie schwer es der Chefportier hatte, weil seine Frau so krank war, und so weiter. Vielleicht könnten er und Stephen die Sache ja für sich behalten. Hatten sie nicht sowieso eine Art Arrangement getroffen? Also warum aus einer Mücke einen Elefanten machen, hm?
Aber wie würde Mrs. Roth auf die Gemälde reagieren? Er stellte sich vor, wie sie blass vor Schreck dastand und sie der Schlag traf, nachdem der Anblick eine kleine Ader in ihrem viel zu großen Hirn zum Platzen gebracht hatte.
Sie würde alles zunichtemachen, wenn sie die Qual dieses Anblicks überstand. Dann würde sie Stephen ihre wütenden Beschwerden entgegenschleudern, und alles wäre verloren. Seth würde entlassen und niemals Chefportier werden. Zu guter Letzt würde man noch das Schloss auswechseln und eine Alarmanlage einbauen. Dann konnte er sich nie mehr Zutritt verschaffen.
Warum heute Abend? Warum war sie ausgerechnet heute
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