Apartment in Manhattan
überrannt wurde. Alexander, ein großer, bärtiger, an den besten Privatschulen ausgebildeter Afroamerikaner aus einer Akademiker-Familie aus Westchester, und Joseph, ein kleiner, halbgebildeter Italiener aus einer Arbeiter-Familie aus Staten Island, bewegen sich und sprechen so gleich, dass ich mir manchmal einbilde, sie sehen sich ähnlich.
Jones kommt vorbei und reicht uns allen frische Daiquiris. In diesem ist sogar noch mehr Rum drin als im letzten, aber er lässt sich genauso angenehm trinken, und ich fühle mich bereits ein wenig angesäuselt. Angesäuselt genug, um es für nötig zu erachten, entweder eine Zigarette nach der anderen zu rauchen oder die komplette Schüssel mit Tortilla Chips zu verschlingen.
Ich entscheide mich fürs Rauchen und zünde mir eine neue Zigarette an der Glut der alten an.
„Also, was schreibst du außer Broschüren noch, Buckley?“ fragt Raphael schüchtern.
Normalerweise kann er ganz gut auf schüchtern machen, aber heute Abend funktioniert es nicht richtig. Zumindest nicht bei diesem Typ, der sich überhaupt nicht für Raphael zu interessieren scheint. Vielleicht fällt es ihm auch nur nicht auf – wobei mir schleierhaft ist, wie er Raphaels atemloses Flirten übersehen könnte.
Die einzige andere Erklärung wäre, dass er nicht schwul ist. Aber irgendwie bezweifle ich das. Es würde mich wundern, denke ich und betrachte ein Trio Drag Queens in Baströckchen und mit BHs aus Kokosnussschalen, das gerade an uns vorbeiflaniert, wenn ein heterosexueller, einigermaßen umwerfender Mann auf einer Party wie dieser wäre. In New York.
Auf gar keinen Fall.
„Ich schreibe die Klappentexte für Bücher“, sagt Buckley achselzuckend.
„Du machst Witze! Buckley, das ist ja großartig!“ kreischt Raphael gerade so, als ob Buckley eine Rolle in
Buffy, im Bann der Dämonen
bekommen hätte.
„Glaub mir, das ist wirklich nicht so spannend“, sagt Buckley und schaut ein wenig betreten drein.
„Welche Art von Bücher?“ frage ich.
„Alles mögliche. Krimis, Liebesgeschichten, Ratgeber, Schwulenliteratur, Kochbücher – egal was.“
„Schwulenliteratur? Habe ich vielleicht etwas gelesen, das du geschrieben hast, Buckley?“ fragt Raphael und fuchtelt aufgeregt mit den Armen wie ein Cheerleader in der Halbzeit.
„Ich schreibe nur die Klappentexte“, bemerkt Buckley nochmals und windet sich ein wenig.
„Aber ich kann mich immer gut an die Klappentexte erinnern. Schließlich kaufe ich nur deshalb ein Buch“, behauptet Raphael.
Kate schließt sich uns an und spielt mit einer Strähne ihres langen blonden Haares. Sie zieht sie sich über die Oberlippe, in dem zwecklosen Bemühen, die hässliche Rötung zu verdecken.
Nachdem Raphael sie Buckley vorgestellt hat, zieht sie mich zur Seite und sagt, dass sie jetzt gehen müsse.
„Das kann ich dir nicht verübeln.“ Ich betrachte die pinkfarbene Haut über dem pinkfarbenen Lippenstift, der zu ihrem pinkfarbenen Sommerkleid passt. „Es sieht so aus, als ob es schlimmer wird.“
„Ach, findest du?“ fragt sie sarkastisch. „Ich sehe so aus, als ob ich verprügelt worden wäre. Ich kann immer noch nicht glauben, dass du mich so hast aus dem Haus gehen lassen.“
Ich auch nicht. Aber ich hatte keine Lust, alleine auf der Party aufzutauchen, nachdem Will einen Rückzieher gemacht hat. Ich hatte schon immer Probleme damit, alleine irgendwohin zu gehen. Selbst nach all der Zeit, die ich in New York lebe, habe ich diese Hemmung noch nicht überwinden können. Es ist eine Sache, allein zu leben und alleine mit der U-Bahn zu fahren und alleine einkaufen zu gehen, aber ich wäre niemals dazu in der Lage, alleine ins Kino, in ein Restaurant oder auf eine Party zu gehen. Das Kleinstadt-Mädchen in mir besteht darauf, das irgendwie Mitleid erregend zu finden.
Was für eine miese Freundin ich bin, was? Ich verüble es Kate nicht, dass sie sauer ist.
„Willst du, dass ich mitkomme?“ biete ich ihr halbherzig an.
„Nein danke“, antwortet Kate.
„Bist du sauer?“
„Nee.“ Sie versucht zu grinsen und zuckt zusammen, als sich ihre wunde Haut über ihrer Oberlippe sich schmerzhaft kräuselt. „Es ist ja nicht deine Schuld, dass ich sensible Haut geerbt habe. Das sind die Delacroix-Gene. Das sagt zumindest meine Mutter immer.“
„Viel Glück, Kate“, sage ich teilnahmsvoll und umarme sie. „Wir telefonieren morgen.“
Als ich mich wieder der Gruppe zuwende, ist die Gruppe verschwunden. Joseph und Alexander sind
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