Apartment in Manhattan
lese ich doch wieder die letzten Seiten von Mary Higgins Clarks Krimis, bevor ich bei der Hälfte angelangt bin. Ich muss einfach wissen, wer es getan hat.
„Hat dir Raphael das Ende verraten, bevor du den Film gesehen hast?“ fragt Buckley.
„Nein, er hat sich geweigert. Und ich habe ihn noch nicht gesehen.“
„Das gibt’s doch gar nicht. Ich dachte, jeder hat ihn gesehen.“
„Nicht ich. Weil es niemanden mehr gibt, der mit mir reingeht.“
Wie gesagt, Raphael ist ohne mich gegangen, Kate, die ein Blind-Date hatte, auch, genauso wie all meine Freunde in der Agentur. Was mich aber wirklich ärgert ist, dass sogar Will vor ein paar Wochen den Film mit Kollegen vom Partyservice gesehen hat, als eine Veranstaltung früher zu Ende war als erwartet. Ich war wirklich sehr böse auf ihn, als er mir sagte, dass er ohne mich in den Film gegangen ist. Er wusste, wie gerne ich ihn sehen wollte.
„Und jetzt? Wirst du warten bis es ihn als Video gibt?“ fragt Buckley.
„Ja, und du kannst mir glauben, dass ich es kaum abwarten kann. Ich versuche ja immer noch jemanden zu finden, der mit mir ins Kino geht, aber jeder, den ich frage, behauptet, dass man den Film nicht zwei Mal sehen kann, denn wenn man die Pointe kennt, ist es witzlos.“
„Das habe ich auch gehört.“
Ich starre ihn an. „Du hast ihn auch noch nicht gesehen?“
Er schüttelt den Kopf.
„Dann musst
du
mit mir ins Kino gehen!“ rufe ich und umklammere seinen Arm. „Ich kann nicht glauben, dass ich endlich jemanden gefunden habe, der ihn noch nicht gesehen hat. Ich bin so aufgeregt! Wir gehen zusammen. Okay?“
Er zuckt die Achseln. „Klar. Wann?“
„Morgen“, antworte ich bestimmt. „Ich habe jetzt fast einen Monat darauf gewartet, endlich zu erfahren, wie das Ende ist, und ich kann es nicht länger aushalten. Ich bin ja so froh!“
Plötzlich verstummt der laute Bob-Marley-Song. Wir drehen uns um und sehen Raphael, der ein wenig schwankend neben der Stereoanlage steht. Ich frage mich, wie viele von den brennenden Getränken er sich reingeschüttet hat.
„Alle mal herhören!“ Er klatscht in die Hände. „Es ist Kuchenzeit. Alexander und Joseph haben sich dieses Jahr wirklich selbst übertroffen. Also bitte, stellt euch im Kreis auf und macht euch bereit, euch die Seele aus dem Leib zu schreien.“
„Er ist schon ein wenig hinüber, hm?“ fragt Buckley, als wir uns um Kuchentisch drängen.
„Er ist ein toller Kerl, weißt du“, rufe ich heftig und wünsche, das würde ausreichen, ihn wahnsinnig in Raphael verliebt zu machen. Aber leider muss ich festzustellen, dass er an ihm überhaupt nicht interessiert zu sein scheint.
Nach einem stürmischen Happy-Birthday-To-You-Chor – und drei von Raphael initiierten Zugaben – wird der Kuchen angeschnitten und verschlungen. Danach schließt sich Buckley wieder Alexander und Joseph an, und Raphael schlängelt sich zu mir durch.
„Du hast Zuckerguss im Haar“, sage ich und wische die Krümel mit einer Serviette weg.
„Es gibt noch ganz andere Stellen, an denen ich in meinem Leben Zuckerguss hatte, Tracey“, sagt er und zwinkert. Nur Raphael ist in der Lage zu zwinkern, ohne wie ein Opa auszusehen. „Hör mal, wie läuft es denn mit meinem neuen Mann? Hast du ihm von mir vorgeschwärmt?“
„Absolut. Ich habe ihm erzählt, dass du der tollste Mann bist, den ich je kennen gelernt habe.“
„Was hast du über ihn herausfinden können?“
Ich nehme einen Schluck von meinem frischen Daiquiri. Die Getränke werden im Laufe der Nacht immer weniger süß und dafür immer alkoholhaltiger, aber das stört hier niemanden. „Er hat irgendwas über eine gerade beendete Beziehung mit einem Typen erzählt, der der Auffassung war, dass er nicht spontan genug sei.“
„Tracey, ich bin spontan genug für uns beide.“ Raphael wirft Buckley einen lustvollen Blick zu. „Was hat er sonst noch gesagt?“
„Nicht viel. Aber ich werde morgen Nachmittag mit ihm zusammen
Flight of Fancy
anschauen. Dann werde ich versuchen, mehr zu erfahren.“
„Du hast endlich jemanden gefunden, der mit dir reingehen will? Tracey, ich freue mich ja so für dich!“ Raphael schlingt einen Arm um meine Schulter. „Wird Will eifersüchtig sein?“
„Warum sollte er auf einen Schwulen eifersüchtig sein? Davon abgesehen, dass Will nie eifersüchtig ist. Er vertraut mir“, erkläre ich.
Stille.
„Was?“ frage ich und erhasche einen seltsamen Ausdruck in Raphaels Augen. „Er ist nicht eifersüchtig.
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