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Apfeldiebe

Titel: Apfeldiebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tietz
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sitzen. Auch Max. Auch, wenn der nichts dafür tat, hier vergessen würden sie ihn nicht.
    Timi wollte sich auf den Rücken drehen, aber Alex’ Arm und dessen Bein, das wie eine Schraubzwinge über Timis Hüfte lag, ließen dies nicht zu. Also bewegte er sich nur ein ganz klein wenig, sodass Schulter und Bein nicht mehr ganz so sehr schmerzten. Er versuchte sich vorzustellen, dass es Papa war, der ihm seinen Atem ins Gesicht blies und dass Mama hinter ihm läge. Die Vorstellung mit Papa klappte einigermaßen, Mama hingegen wollte und wollte Alex’ Platz nicht einnehmen. Alex fühlte sich kantig an, dessen Kinn spürte Timi da, wo sein Hals und die Schulter aufeinandertrafen, dessen Knie in der eigenen Kniekehle. Mit Mama verband er ganz andere Erinnerungen: weich und irgendwie wie ein großer, lebendiger Kissenberg, in dem man sich vergraben konnte, der beschützte, zudeckte und liebte. Aber wenigstens strahlte Alex etwas Wärme aus und so blieb Alex eben Alex – kein Problem für das Kind. Das wirkliche Problem trug einen anderen Namen: Durst. Trinken. Und er lag keine zwei Meter von diesem Brunnen entfernt!
    Den Gedanken an etwas zu trinken, an Wasser ganz in seiner Nähe einmal im Kopf, konnte das Kind an nichts anderes mehr denken. Nach einer Ewigkeit wie es ihm vorkam, einer Ewigkeit, in der weder Kasi noch Alex Anstalten machten zu erwachen, rüttelte er schließlich, zuerst ganz vorsichtig, bald aber deutlich heftiger, Alex am Arm. Alex’ Atem stockte, Timi wollte schon losplappern, Alex aber räusperte sich nur und drehte sich auf die andere Seite. Doch Timi wusste wie man jemanden wach bekommt, schließlich hatte er dies die letzten Jahre jeden Sonntag zuerst mit Max und danach mit Mama und Papa üben können. Und so bekam er auch Alex und danach Kasi wach und wenige Minuten später saßen die drei Jungen an einer reich gedeckten Frühstückstafel. Auf frischen, noch warmen Brötchen schmolz goldgelbe Butter. Die Kinder stürzten sich auf heiße Schokolade und Orangensaft, auf Marmelade und Honig und …
    » Ich hab keine fünf Minuten geschlafen, du Nervensäge.« Alex streckte sich, nachdem er als Erstes die neben ihm liegende Lampe eingeschaltet hatte. Er setzte sich auf, rieb sich den Schlafdreck aus den Augen. »Hast du in die Hose gemacht?« Alex leuchtete Timi in den Schritt.
    » Hab ich nicht!«
    » Schon gut. Reg dich nicht gleich auf. Ich dachte nur, es riecht irgendwie nach Pisse.« Alex nahm Timis noch gar nicht so lange trockene Problemzone aus dem Rampenlicht.
    » Es riecht nach deiner Pis … nach dir eben«, sagte Kasi. Er stand auf, zog zuerst das rechte, danach das linke Bein nach hinten, als müsse er sich für einen Langstreckenlauf aufwärmen, und deutete schließlich auf die Steine neben dem Ausgang. Alex folgte Kasis Blick, brauchte ein paar Sekunden, erinnerte sich aber schließlich genauso wie Timi an den Vortag. Oder war es schon der Vorvortag? Auf jeden Fall sah er vor seinem geistigen Auge ein dunkles M und ein A und einen nassen Timifuß.
    » Ah ja, das kann sein.«
    » Es ist so«, beharrte Kasi auf seiner Erklärung, auch wenn er selbst keinen Millimeter weit riechen konnte, Staub und Flüssigkeitsmangel hatten ganze Arbeit geleistet.
    » Hier darf man jetzt wohl nicht mehr?« Timi stand vor dem Steinhaufen.
    » Spinnst du?!« Alex zog ihn weg. »Kannst da hinten in das Fass pinkeln, aber hier nicht.« Timi bekam Kasis Lampe in die Hand gedrückt und ging, aber nur bis zum Durchgang in den Fässerraum. Dort drehte er sich um.
    » Kommt jemand mit?«
    Alex wollte sich schon über Timi lustig machen, behielt die Bemerkung aber für sich. Er und Kasi sahen sich an.
    » Hast du noch deine Trinkflasche?«, fragte er Timi. Der nickte. »Und du?«
    » Im Rucksack«, antwortete Alex. »Warum?« Kasi druckste herum, denn den Gedanken, der ihm plötzlich gekommen war, fand er selbst komisch, um nicht zu sagen eklig. Aber er hatte einmal im Fernsehen gesehen, dass Leute, die in einer ähnlichen Lage wie sie jetzt gewesen waren, ihren eigenen Urin getrunken und deshalb überlebt hatten. Schließlich erklärte er es den anderen.
    » Jeder pinkelt in seine eigene Flasche und wenn er Durst bekommt …«
    » Wir haben Durst!«
    »… dann kann er das eben trinken.«
    Alex schüttelte sich, Timi trat von einem Bein auf das andere. Wollte denn niemand mitkommen? Wollten sie so lange reden, bis er doch wieder in die Hose machte? Alex trat an den Rand des Brunnens und leuchtete hinab – der

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