Apfeldiebe
Spiegel da unten funktionierte noch immer.
» Da unten ist Wasser. Und das holen wir. Ich trink doch nicht meine eigene Pisse!«
Zu dritt gingen sie zum Toilettenfass und erleichterten sich einer nach dem anderen und es tat gut, auch wenn es sich nur um ein paar Tropfen handelte, die jeden der Körper verließen. Bei Alex brannte es.
Als sie an Max’ Raum vorbeikamen, blieben sie kurz stehen. Alex leuchtete hinein.
» Lasst mich bloß in Ruhe!«, schrie Max. »Und Timi, du Arschloch, du brauchst dich gar nicht wieder blicken zu lassen, du Verräter! Haut ab, ihr, ihr …« Ein Hustenanfall zwang Max, den Satz abzubrechen, Timi aber freute sich. Max ging es gut, das konnte niemand überhören! Und wenn sie erst einmal das Wasser aus dem Brunnen hatten, wollte er etwas davon in seine Flasche füllen und es zu Max bringen. Max würde ihm verzeihen. Bestimmt.
Zurück im Raum, der, so Timis Hoffnung, den Kindern bald Wasser und einen Ausgang schenken sollte, versammelten sich die drei wie abgesprochen um das Loch im Boden. Alex leuchtete hinab, nahm wie am Vortag einen Stein und ließ ihn nach unten fallen. Der Spiegel zerbrach in tausend tanzende Spiegelchen, in Lichtteile, die zitterten und (Danke, Super-Jesus!) nach wenigen Sekunden erneut eine Kopie des herabstrahlenden Lichtes zu den Jungen nach oben warf. Gut, es handelte sich um Wasser. Aber wie sollte dieses Wasser nun zu ihnen heraufkommen?
Alex nahm eine Kette.
» Helft mir mal«, sagte er und deutete auf das Sammelsurium im Raum. »Bringt mir mal den Kessel da. Und jede Kette, die ihr findet.«
» Wozu?«, fragte Timi. Er hob ein etwa zwei Meter langes Kettenstück an. Jedes einzelne Glied stellte den Durchmesser seines Mittelfingers deutlich in den Schatten. Timi versuchte, die Kette über seinen Kopf zu heben, schaffte es nicht und ließ sie wieder fallen.
» Irgendwie muss das Wasser ja nach oben kommen«, erklärte Alex. »Wir verbinden die einzelnen Ketten und …«
» Warum nehmen wir nicht einfach die Seile?«
Kasi ging zu seinem Kopfkissenrucksack, griff hinein und zum Vorschein kam eine säuberlich zusammengewickelte Leine – nicht besonders dick, auch erinnerte sie auf den ersten Blick eher an eine Wäscheleine, aber wenigstens sah sie stabil aus. Und vor allem wesentlich leichter als das, was Alex bauen wollte. Er warf sie Alex zu, der sie anstarrte, als habe er noch nie zuvor etwas Ähnliches gesehen. In der Ecke, in der sich Rufus versteckt gehalten hatte, stocherte Kasi mit der Fußspitze und schob staubbedeckte Lanzen und Standarten auseinander. Im Durcheinander aus Linien, Steinen und Staub fand er Rufus’ Jacke und darunter das vom Schwarzen mitgebrachte Seil.
» Das reicht auf jeden Fall«, sagte Alex und strahlte. »Beide Seile aneinandergeknüpft werden reichen. Ganz sicher sogar.« Mit einem halben Dutzend Knoten verband Alex beide Seile.
» Wird das nicht zerreißen, wenn der Kessel dranhängt?« Timi konnte sich nicht vorstellen, dass diese dünne Leine solch einen riesigen Kessel würde tragen können.
Kasi teilte Timis Bedenken: »Das Monstrum werden wir drei nie und nimmer da hinunterlassen können. Und hoch erst recht nicht«, sagte er. Alex kratzte sich am Kopf und sah sich um. Kasi hatte recht, natürlich. Aber irgendwie mussten sie das Wasser nach oben bringen, wollten sie nicht verdursten. Irgendwie! Plötzlich lachte Alex und griff in Timis Rucksack.
» He! Was suchst du?«
» Deine Colaflasche.« Alex fand sie, nahm sein Taschenmesser und ohne auf Timis große Augen zu achten, stieß er die Klinge circa ein Drittel unterhalb des Schraubverschlusses in den Kunststoff, genau an der breitesten Stelle.
» He, da ist doch noch Pfand drauf!«, protestierte Timi.
» Zahl ich dir irgendwann mal. Versprochen.«
Alex trennte den oberen Teil der Flasche ab und bohrte anschließend knapp unterhalb dieser neu entstandenen Kante zwei kleine Löcher. Durch diese zog er seine Schnur – ein wahrer Ritter trägt immer ein Stück Schnur unter seinem Kettenhemd – und befestigte die Flasche am Seil. Stolz betrachtete er sein Werk.
» Und warum musstest du meine Flasche kaputt machen? Du hättest sie doch auch so anbinden können.«
» Klar, hätte ich. Bloß dass dann kein Tropfen hineingelaufen wäre. Deine Flasche wär einfach nur da unten geschwommen und fertig. Kapiert?« Timi kapierte es nicht.
» Alex meint, dass, weil die Flasche doch so leicht ist, nichts hineinlaufen kann. Weil die Öffnung ein paar Zentimeter
Weitere Kostenlose Bücher