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Apfeldiebe

Titel: Apfeldiebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tietz
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Lampe an. Timi riss sie ihm aus der Hand und stürzte aus dem Raum.

    » Weg! Geht weg!« Max rollte über den Boden. »Weg, bitte. Ich wollte das nicht. Wirklich.« Aber die Invasoren verstanden Max nicht oder wollten ihn nicht verstehen, was das Ergebnis in keiner Weise beeinflusste. Fressen, sie wollten fressen und bestrafen und …
    » Max?«
    … und sie wollten Gottes Geschenk ehren und es quälen.
    » Max?!«
    Sie kannten seinen Namen, alle. Ein offenes Geheimnis, wie der Tod hieß, das Wesen, welches mit den Zähnen Fleisch aus Spinnenbeinen riss. Sie riefen seinen Namen, ein millionenstimmiger Chor und sie schleppten Scheinwerfer herbei, denn jedes Mitglied der Gemeinde sollte dem Ableben des Todes beiwohnen, sollte teilhaben an dessen schmackhafter Schuld, sollte sich in dessen Blut reinwaschen.
    » Max! Wach auf!«

    Timis großer, immer starker Bruder wälzte sich am Boden. Er schlug um sich, hätte, als Timi sich neben ihn kniete und ihm ins Gesicht leuchtete, um ein Haar den kleinen Bruder getroffen. Max schwitzte, einen kalten, giftigen Schweiß, der beinahe noch stärker stank als das, was in Max’ Hose klebte.
    » Was wollt ihr?« Max flüsterte, starrte in das Licht, das Wesen dahinter erschloss sich ihm nicht. Wozu auch, es waren ja doch nur Spinnen.
    Timi konnte nicht sofort antworten. Das da sollte der große Bruder sein? Max’ immer so sorgsam frisiertes Haar klebte an dessen Kopf. Unter Max’ Augen lagen Schatten und von seinen Lippen, in deren Rissen Dreck klebte, hingen Hautfetzen.
    Max richtete den Oberkörper auf. »Weg«, flüsterte er, dann fiel er nach hinten. Sollten sie doch alles zu einem Ende bringen, je schneller, desto besser.
    » Max, ich bin’s!« Timi stand auf und leuchtete sich ins Gesicht. »Ich bin es, dein Bruder.« Timi weinte. Warum musste Max bloß immer so stur sein? Warum konnte er nicht ein einziges Mal zugeben, dass er etwas falsch gemacht hatte? Warum musste er sich hier hinten verstecken, statt ihnen zu helfen, statt etwas zu trinken?!
    Alex und Kasimir erschienen. Aber im Dunkel des Durchganges zum Fässerraum blieben sie stehen. Das da, das war eine Sache zwischen Timi und Max.
    Timi hob seine Wasserflasche ins Licht. »Schau, ich hab dir was zum Trinken mitgebracht, von uns .« Timi kauerte sich neben Max und hielt dem seine Flasche hin. »Komm Max, du musst was trinken. Wenn du nichts trinkst, wirst du verdursten.« Die Tränen schossen aus dem Kind. Timi schluchzte, zog den Rotz hoch und verschüttete dabei einen Gutteil des für Max gedachten Wassers.
    » Entschuldige.« Timi stellte die Flasche ab, wischte sich übers Gesicht und schnäuzte in sein T-Shirt. »Ist nicht so schlimm, wir haben noch ganz viel davon«, (Rotz?), »Wasser, mein ich. Noch ganz viel, einen ganzen Brunnen voll und …«
    Max hielt mitten in der begonnenen Flucht inne. Seine Pupillen zitterten und Timi konnte die Zweifel darin erkennen, Max’ Angst. Timi wusste wie es aussah, wenn der große Bruder Angst hatte und er wusste noch ganz genau um seine Enttäuschung, als er diesen ängstlichen Max zum ersten Mal gesehen hatte. Ein großer und starker Bruder durfte keine Angst haben, wie sollte er denn dann den kleinen Bruder beschützen können? Die Ängste, die Timi an Max kannte, hatten alle etwas mit Papa zu tun, so wie jetzt aber hatte er Max noch niemals zuvor gesehen! Max’ Schultern zitterten, sein ganzer Körper vibrierte. Max öffnete den Mund, wollte etwas sagen, brachte aber nur ein Röcheln zustande. Es klang wie das, was die Toten in Max’ Computerspiel von sich gaben, wenn sie auf einen Mausklick hin aus ihren Gräbern kletterten und anschließend in weißen Spitzenhemden durch die Straßen seiner Computerwelt stolperten und nichts ahnenden Großmüttern die Finger in Nasenlöcher und Münder schoben, bis die freundlichen Großmütterköpfe zerplatzten. Timi durfte diese Spiele nicht sehen, aber manchmal, wenn Max dachte, der Kleine schliefe bereits, konnte er unter seiner Bettdecke hervor doch das eine oder andere erkennen und hören, obwohl Max Kopfhörer trug. Aber der schob den Lautstärkeregler grundsätzlich bis zum Anschlag, sodass Timi selbst unter seiner Bettdecke diesem Röcheln lauschen konnte. Und es klang wie Max, beziehungsweise Max klang jetzt genau wie dieses Totenröcheln.
    Timi ließ seine Lampe fallen und hielt sich beide Ohren zu. Er hatte Angst! Max sah nicht mehr wie Max aus. Max klang nicht mehr wie Max. Max benahm sich nicht mehr wie der Max,

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