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Apfeldiebe

Titel: Apfeldiebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tietz
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Alex folgte Kasis Blick und zählte diesen Platz, Kasi und Max zusammen und verstand. Er an Kasis Stelle hätte auch nicht neben Max schlafen wollen. Also überließ Alex sein Stück Boden Kasimir und legte sich neben Max. Keine fünf Minuten später schliefen die Jungen ein.

    Kasimir beendete seine Nacht vor allen anderen, gerade, als wenige Meter über ihnen die ersten Sonnenstrahlen durch die Zweige brachen und die in der zurückliegenden Nacht abgekühlten Steine der Ruine neu aufheizten. Während Alex’ Bein zuckte und Max von Spinnen träumte, genoss eine Eidechse diese Wärme und in den Bäumen und Sträuchern zwischen den beiden Turmfingern jagten Vögel nach der ersten Mahlzeit für ihre hungrige Brut. Vom richtigen Platz aus konnte man vierzig Meter tiefer das Band der Steina erkennen, fast noch schwarz. Aber an ein, zwei Stellen berührte bereits der neue Tag diesen gewundenen Streifen und verschüttete Gold und Silber. Das Plätschern des über abgeschliffene Steine springenden Wassers klang hinauf bis zur Spitze der Ruine und dort, wo sich dieses Wasser beruhigte und vor einem Damm in die umliegende Wiese und eine kleine Schonung mäanderte, tauchte ein Biber auf. Über die dem Wasserlauf folgende Straße jagte ein Motorrad Richtung Bonndorf, füllte das Tal kurz mit seinem Lärm, bevor Plätschern und Vogelgesang erneut die Oberhand gewannen. Weit und breit kein menschlicher Laut. Weit und breit kein Mensch.
    Kasi, in der zurückliegenden Nacht immer wieder aus dem Schlaf geschreckt, fühlte sich, als habe er überhaupt nicht geschlafen. Ein paar Stunden mussten aber vorüber sein, so jedenfalls lautete die Meinung seiner Blase. Kasi tastete nach seiner Lampe. Er fand sie, dämpfte mit dem T-Shirt das Licht, stieg über Alex, Max und Timi hinweg und verschwand Richtung Toilettenraum.
    Neben dem Fass lag seit gestern ein Felsbrocken. Alex hatte ihn hierhergeschleppt, weil er beim Wasserlassen stehen wollte wie ein Mann . Kasi öffnete seine Hose.
    » He, warum setzt du dich nicht drauf? Alle Mädchen sitzen schließlich beim Pinkeln!«
    Kasi zuckte zusammen und fuhr herum, sein Urin zeichnete eine dünne Linie auf die Außenseite des Fasses. Max stand am Eingang! »Siehst du, du kannst es nicht.« Max stieß Kasimir vom Stein und stieg selbst hinauf. »Schau genau hin, so wird das gemacht!« Max erleichterte sich gut hörbar. Er ließ seinen Urin in das Fass plätschern, als könne er mittels dieser Lautstärke das, was er in den Händen hielt, vergrößern oder wenigstens seinen Zuhörern Größe vorgaukeln. Ein großes Ding macht eben viel Krach , hatte Max’ Stiefvater einmal zu seiner Mutter gesagt, als er sich wieder einmal genau so erleichtert und damit die Kritik seiner Frau provoziert hatte. Und kleine Mädchen pinkelten eben daneben.

    Bevor sie sich erneut an den Steinhaufen wagten, schöpften die Kinder Wasser und füllten dieses in den alten Kessel. Mit Max’ Hilfe ging es deutlich schneller, auch hatte er um dieses Wasser gebeten. Nachdem sie den Kessel zu einem knappen Drittel gefüllt hatten, verschwanden Max und Alex und Kessel nach hinten.
    » Dass ich mal meine Hose waschen muss!«
    » Ach, ist doch nicht weiter schlimm«, sagte Alex, »hätte einem von uns genauso gut passieren können.«
    » Ist es aber nicht.« Max wollte so schnell wie möglich die Spuren seiner Schwäche tilgen. Die Jungen stellten den Kessel neben ihr Toilettenfass. Max ging in die Hocke.
    » Alles in Ordnung?«
    » Ja, geht schon.« Max’ Hände zitterten noch immer. Aber es ging, es musste gehen, wenn er auch noch immer nicht wusste, wozu. Aber er hoffte, dass die Spinnen es ihm früher oder später verrieten – den Grund für alles.
    Den Grund hinter allem.
    Alex blieb in den folgenden Minuten auf Max’ Bitte hin am Eingang stehen und wachte über das Waschweib und dass keiner der Kleinen spionieren kam. Max zog Hose und Unterhose aus und warf sie in das kalte Wasser. Das abgebrochene Ende einer Lanze funktionierte er zum Kochlöffel um und rührte damit in der sich zügig braun verfärbenden Brühe.
    » Hattest du keine Angst, so ganz allein hier hinten?« Max rührte weiter, als habe er Alex’ Frage nicht verstanden. »Hattest du Angst?«
    Max richtete sich auf.
    Max hatte Alex sehr wohl verstanden, die Worte und auch den Sinn dieser Worte. Angst. Konnte man das, was er empfunden hatte, Angst nennen? Vielleicht, vielleicht aber auch nicht. Er erinnerte sich an seine ausgetrockneten Lippen, seine

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