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Apfeldiebe

Titel: Apfeldiebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tietz
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Haaren und nannten ihn Mädchen ? Sie sollten endlich aufhören, ihn herumzuschubsen wie es ihnen gerade beliebte. Jeder durfte ungestraft Kopfnüsse an ihn verteilen, selbst die Kleinen, vorausgesetzt Alex oder Max hielten sich in der Nähe auf. Aber wenn er ein Tor schoss, wenn er ihnen zeigte, was er konnte … nur noch sechs Meter, fünf, vier …
    » Hierher!«
    … er trat ein letztes Mal gegen den Ball. Im Tor stand Max. Manchmal konnte Kasimir nicht anders und nannte Max in Gedanken Schwabbelbacke und schämte sich umgehend dafür, obwohl er ganz objektiv betrachtet mit dieser Bezeichnung ins Schwarze traf. Trotzdem wusste er, dass man solche Worte nicht denken sollte und schon gar nicht aussprechen. Er mochte es nicht, wenn sie ihm Brillenschlange und Mädchen nachriefen, wenn er umgekehrt nun Max als Schwabbelbacke titulierte, was unterschied ihn dann noch von den anderen? Vater hatte ihm dies einmal erklärt, was aber jetzt nicht verhinderte, dass, als Kasi schoss, plötzlich ein Gedanke in seinem Kopf saß und sich die Hände rieb, weil er – der Gedanke – ganz genau wusste, dass der Besitzer dieses Kopfes so etwas nicht denken sollte: Wie schön wäre es, wenn der Ball dem drei Jahre Älteren mitten ins Gesicht flöge, in das glänzende, runde Etwas, das Kasi ohne erkennbare Emotionen anstarrte, als könne Max allein mit seinem Blick den Ball parieren. Eigentlich wusste jeder, dass er selbst, Kasimir, einen viel, viel besseren Torwart abgab, aber Max als Feldspieler einzusetzen wäre in etwa so sinnvoll wie Alex beim Mathewettbewerb. Also stand Max jedes Mal zwischen den Pfosten und hoffte, dass die Schüsse irgendwie seinen gut gepolsterten Körper träfen, möglichst ohne sich dabei selbst bewegen zu müssen.
    Kasimirs Abschluss zeigte Ambitionen für diese Kategorie Schüsse, hätte es da nicht diesen Maulwurfshügel gegeben. Kurz vor Max setzte der Ball auf, änderte den zweiten Teil seines Fluges radikal und verfehlte das Tor um gut zwei Meter.
    » Du bist die größte Pfeife weit und breit, ein Mädchen eben!« Alex trabte heran und gab Kasimir die bereits erwartete Kopfnuss. »Hast du nicht gesehen, dass ich viel besser stand?!« Kasimir schwieg und rieb sich den Hinterkopf. Jedes Wort wäre jetzt sinnlos, das hatten ihn die Erfahrungen der letzten Jahre gelehrt. Wenn er jetzt erklärte, dass er gut geschossen hatte und ohne dieses Häufchen Erde da mit Sicherheit getroffen hätte, gäbe es mehr als nur diese eine Kopfnuss. Also hielt er den Mund, starrte auf seine Füße und hoffte, dass sie ihn nicht wieder Arschloch nannten und vom Spielfeld trieben.
    » Lass gut sein.« Rufus stellte sich zwischen Alex und Kasimir, schob den Kleinen ein Stück zur Seite. Alex brummte etwas und brüllte schließlich Max’ kleinen Bruder an, weil der, mit offenem Mund auf die unausweichliche Auseinandersetzung wartend, den Ball noch immer nicht geholt hatte. Wie es aussah durfte Kasi heute bleiben. Ohne den Versager weiter zu beachten nahm Alex dem achtjährigen Timi den endlich geholten Ball aus der Hand und trabte zurück zum Anstoßpunkt.
    » Wenn du es jetzt nicht besser machst und wieder nicht abgibst, ritz ich dir ein Herz auf die Stirn, verstanden, Mädchen?« Kasimir nickte.
    In den vergangenen Jahren, Jahre, in denen er manchmal – Alex’ Gnade vorausgesetzt – mit ihm und den anderen Kindern des Dorfes spielen durfte, hatte es eigentlich nur eine Handvoll Tage gegeben, an denen Kasimir mit einem Lächeln im Gesicht das gemeinsame Spiel beendet hatte. Dabei handelte es sich durchweg um Tage, an denen Alex gefehlt hatte, vielleicht weil er krank im Bett lag, mit seinen Eltern wegmusste oder wieder einmal Nachhilfe bekam. Ohne ihn ging alles besser, gab es weniger Streit und sogar Max verwandelte sich dann manchmal in ein ganz normales Kind, mit dem man spielen und mit etwas Glück sogar einigermaßen vernünftig reden konnte. Und Max und die anderen Kinder nannten Kasimir an solchen Tagen weder Arschloch noch Mädchen oder Versager , sondern sprachen ihn ganz normal mit seinem Namen an, was ihn am Anfang dann immer ganz durcheinanderbrachte. Dann mussten sie zwei- oder dreimal Kasi und Kasimir sagen, bis er reagierte.
    Zu sechst verbrachten die Kinder die letzten Stunden dieses Ferientages und Kasimir freute sich ehrlich, dass Rufus den Weg von seinem Berg heruntergefunden hatte und, wenn auch recht lustlos, mit ihnen spielte. Kasimir bewunderte den zwei Jahre älteren Jungen. An Tagen wie dem

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