Apfeldiebe
zurück ins Dorf führen sollte. Wenigstens hatte der schwarze Junge daran gedacht, eine Taschenlampe einzupacken, freute sich Seiler, denn so, wie Sträucher und Gräser in den Weg hingen, wie die Nacht aus dem Wald ihre Finger nach ihm ausstreckte, würde er sie brauchen können.
Seiler ging voran und Hasso folgte in Herrchens Fahrwasser. Plötzlich aber blieb dieses Herrchen stehen. Seiler sah zurück und kratzte sich. Er betrachtete den vor ihm liegenden Wald, die Ruine und den Himmel und ein Lächeln huschte über sein Gesicht, das Lächeln eines Lausbuben, dem soeben die Idee für ein wundervolles Abenteuer gekommen war. Noch zögerte der alte Mann. Hätte er selbst in diesem Augenblick aber den Ausdruck seiner Augen und dieses Lächeln sehen können, er hätte bereits gewusst, was nun folgte.
Seiler machte kehrt.
» Was hältst du von einer Nacht im Freien, Hasso? Das wär’ doch mal wieder was, oder nicht?« Die Antwort des Hundes bestand aus Schwanzwedeln. Und so folgte er seinem Herrchen zurück zur Ruine.
Seiler lehnte das Gepäck an eine Mauer und sah sich um. Die Nachmittagsschlafstelle schien ihm perfekt auch als Nachtlager. Und daneben gab es reichlich Platz für ein kleines Lagerfeuer!
Die folgende Stunde suchte Gernot Seiler die Umgebung zuerst nach trockenem Holz ab, danach schnitt er junge Weidentriebe und legte diese zu einem Lager aus, darüber die schwarze Decke aus dem schwarzen Rucksack.
» Braver Junge«, sagte Seiler, »hat wirklich an alles gedacht. Ob er wohl geahnt hat, dass ich die Decke gebrauchen könnte?« Hasso blieb eine Antwort schuldig und folgte stattdessen dem Alten in einen Himbeerstrauch, wo der sich sein Abendessen zusammensuchte. Auch fand er ein paar Pilze.
Kurz nach Sonnenuntergang knisterte vor Seilers Lager ein kleines Feuer. Er selbst saß auf einem Stein, zwischen Stein und Seilers Hinterteil sein leerer Rucksack.
» Wegen der Hämorrhoiden, weißt du. Scheußliches Zeug, auch noch eins von den Dingen, die einem den Abschied erleichtern sollen.«
Seiler schnitzte an einer mehr als armlangen Weidenrute. Zufrieden mit seiner Arbeit, legte er das Messer zur Seite und spießte ein halbes Dutzend Pilze auf. Hasso beobachtete jeden Handgriff und nachdem die Pilze drei Viertel ihres Volumens ausgeschwitzt und sich goldbraun – an manchen Stellen auch schwarz – verfärbt hatten, nachdem Seiler sein Bedauern über das Nichtvorhandensein einer Prise Salz Ausdruck verliehen, sich aber auch über die Qualität des in der schwarzen Flasche befindlichen Wassers gefreut hatte, erhielt Hasso eines der Brote aus der schwarzen Dose. Seiler selbst traute diesen und dem Duft, den sie absonderten, nicht. Zwar überlagerte der Käsegeruch alles, aber wenn etwas vier Tage bei dieser Hitze im Wald gelegen hatte, konnte es nicht mehr gut sein. Hasso würde dies nichts ausmachen, oft genug besuchte er Seilers Komposthaufen und je mehr etwas stank, desto besser fand er es.
» Nicht schlecht, was? Uns geht’s richtig gut«, schmatzte Seiler. Abwechselnd steckte er sich ein Stück Pilz und eine Beere in den Mund, den letzten Apfel hatte er für den kommenden Morgen reserviert.
Der Abend legte nach einem rosafarbenen ein graues Tuch über das Land und tauschte dieses kurz darauf gegen eines in Schwarz aus. Seiler vermutete, dass die Nacht eine Frau sein musste, die ausprobierte und sich umentschied und dann noch etwas anderes hervorholte. Aber schließlich hatte sie das passende Tuch gefunden, hie und da aber Lücken gelassen. Seiler konnte deutlich beide Türme der Roggenbacher Ruine erkennen. Die Steine leuchteten beinahe, das Wort Knochen kam ihm in den Sinn.
» Morgen früh sehen wir noch kurz da drüben nach, dann liefern wir den Rucksack ab.« Die Suche nach Mona-Lisa begann dann eben einen Tag später, was machte das schon? Ein Tag hin, einer her – nach fünfzig Jahren spielte das keine Rolle mehr.
Seiler und sein Hund teilten den letzten Pilz miteinander, danach erhielt Hasso noch ein Stück Käse und nachdem er den näheren Umkreis des Rucksacks nach weiteren Leckerbissen abgesucht hatte, rollte er sich neben seinem Herrchen zusammen. Gute Nacht. Gernot Seiler aber wollte noch nicht schlafen. Nach seinem Nickerchen noch viel zu munter, lag der erste Toilettengang hinter ihm. Jetzt warf er Ästchen um Ästchen ins Feuer und wartete auf Gang Numero zwei. Bis dahin ergab die Mühe sich hinzulegen keinen Sinn. Aber selbst wenn er müde gewesen wäre – dieser Abend schien
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