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Apfeldiebe

Titel: Apfeldiebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tietz
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Alex. Er wollte nicht über Max sprechen, auch nicht über dessen Blick. Viel lieber hätte er von Kasi etwas über Gott und das alles erfahren. Kasi schien darüber mehr zu wissen als sie alle zusammen, vor allem aber schien er daran zu glauben; aber Kasimirs ganzes Denken kreiste im Augenblick um Max.
    » Ich weiß es eben, so ein Gefühl. Und überhaupt, dass er sein Männchen durchgestrichen hat, das ist doch nicht normal!«
    » Was ist schon normal, vor allem in unserer Situation? Bei dem, was Max uns vorhin gestanden hat«, Alex sah den am Boden knienden Max, dahinter dessen Stiefvater, »kann ich es ihm nicht verübeln, wenn er ein bisschen irre guckt.« Alex schaltete Kasis Lampe ein und verscheuchte das peinliche Bild.
    Kasimir zog seine Jacke über die Schultern. Alex schien ihn nicht zu verstehen oder nicht verstehen zu wollen, aber er hatte eben diesen Blick nicht gesehen. Vielleicht galt dieser Blick ja ausschließlich Kasimir, und Timi und Alex sah er mit ganz anderen Augen an?
    » Am liebsten würde ich Max fesseln, solche Angst hab ich vor ihm.«
    » Ach, jetzt spinnst du aber, Kasi! Gut, Max war nicht gerade nett zu dir und wahrscheinlich werdet ihr auch nicht mehr die dicksten Freunde, aber …«
    » Aber er benimmt sich so komisch, als ob, als ob …« Kasi suchte nach dem richtigen Wort, einem Wort, welches Max’ Verhalten bestmöglich beschrieb, aber nichts schien diesem Verhalten so ganz gerecht werden zu können. »Als ob er das alles hier gar nicht registriert, verstehst du? Selbst, als er das von seinem Stiefvater erzählt hat – kein Wort von Angst vor dem Tod. Oder dass er hier rauswill und, nachdem er das hier alles überstanden hat, seinen Stiefvater anzeigt. Nichts. Und auch um Timi kümmert er sich kaum noch. Er starrt nur vor sich hin und lächelt sein Bild da an.« Kasis Kinn zeigte zur Wand und Alex leuchtete in die angegebene Richtung. »Er hat sich einfach durchgestrichen. Ich hab Angst, dass er auch mich durchstreicht. Und dann dich und Timi.« Alex zuckte nur mit den Schultern.
    » Und wenn schon, soll er doch. Was interessiert mich, ob er den da«, der Lichtstrahl zeigte auf Alex’ Ebenbild, »ob er den durchstreicht. Ich …«
    » Ich meine nicht die Strichmännchen. Ich meine uns .« Kasi berührte zuerst sich am Bein, danach Alex. »Ich hab Angst, dass Max durchdreht und mir was tut.«
    » Ach was«, wiegelte Alex ab. »Max ist nicht verrückt. Er ist vielleicht nicht so wie du oder ich, aber nein, verrückt ist er nicht. So, und jetzt lassen wir das, es gibt Wichtigeres. Zum Beispiel, wie es weitergeht. Und wie das alles so ist, wenn man tot ist.« Denn das war der Punkt, der Alex nicht schlafen ließ, der ihn wirklich interessierte: Was wartete auf sie? Kasi brauchte einen Moment, bis er verstand, was Alex meinte. Als er verstand, lächelte er. »Was ist? War irgendwas komisch an meiner Frage?« Kasi nickte.
    » Ja.«
    » Und was?«
    » Na, eben alles. Woher soll ich denn wissen, wie das ist, wenn man tot ist? Ich war’s noch nie.«
    » Das weiß ich doch. Aber du bist der Einzige, der das alles ganz gelassen angeht.«
    » Abgesehen von Max.«
    » Lass doch jetzt mal Max aus dem Spiel. Im Ernst: Was denkst du, wie es da ist, im Himmel ?«
    Kasi sah auf seine Hände, schmutzige Hände mit schwarzen Rändern unter den Fingernägeln. Er betrachtete die beiden dünnen Handgelenke. All die Abbildungen des Gekreuzigten waren falsch. Keine Nägel der Welt konnten, nur durch die Handflächen getrieben, einen ganzen Mann am Kreuz halten. Kasi hatte dazu eine Dokumentation im Fernsehen gesehen (und die folgende Nacht kaum geschlafen). Hier – Kasis linker Daumen bohrte sich in den rechten Unterarm – zwei, drei Fingerbreit vor dem Handgelenk, da mussten die Nägel gesteckt haben, nicht in der Hand. Er hatte sich kreuzigen lassen, für sie alle, sogar für einen Max. Kasi lächelte.
    » Ich glaube, dass es hell sein wird. Und warm. Und dass alle Menschen gut miteinander umgehen.«
    » Und wieso glaubst du das, wenn du noch nicht dort warst?«, fragte Alex.
    » Weil meine Eltern ein Buch haben voller Geschichten von Menschen, die schon tot waren, halt nur ganz kurz.«
    » So wie der Typ da aus Dillendorf?«
    » Der beim Marathon tot umgefallen ist?« Alex nickte, genau den meinte er: Ein Mittvierziger, der im vergangenen Sommer kurz vor dem Ziel zusammengebrochen war und nur durch Drücken auf sein Herz gerettet werden konnte. Hatte immer wieder in der Zeitung gestanden. Und der,

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