Apfeldiebe
wenn Leni es nicht absichtlich sagen sollte – ihr Plappermaul stand nur selten still und es wäre nicht das erste Mal, dass ein Geheimnis aus ihr herausrutschte, einfach so. Schwupps – da liegt es ja. Oh, tut mir leid, aber es ist einfach so herausgefallen. Ich kann wirklich nichts dafür! Bitte, nicht in mein Bett pinkeln!
Alex nahm Max beim Gedanken an seine Drohung den Rucksack ab und trieb den Gleichaltrigen vor sich her. Wenn Mutter und Vater etwas von diesem Ausflug heute erfahren sollten, dürfte es Ärger geben. Wenn sie dann auch noch von seiner Drohung hörten, würde dieser Ärger allerdings sein kleinstes Problem sein.
» Kannst du mir mal verraten, was du alles in deinem Rucksack drin hast? Der wiegt ja bald doppelt so viel wie meiner.«
» Taschenlampe.« Luftholen. »Cola.« Luftholen. »Essen.« Stehen bleiben und Luftholen. Alex schüttelte den Kopf und trat einen Schritt zur Seite um Rufus vorbeizulassen. Zwei schwarze Stöpsel in den Ohren, interessierten diesen weder Alex’ Träume noch Max’ Atemprobleme. Zwei Stöpsel füllten die Welt zwischen seinen Ohren mit der Lieblingsmusik seiner Mutter: Mischa Maisky. Maiskys Cello verschmolz mit dem Grau des Himmels, mit Regentropfen, die von den Blättern über Rufus’ Kopf perlten, mit den eigenen Gedanken. Ein Sonnentag hätte überhaupt nicht zu dieser Musik gepasst, wusste der Junge und freute sich. Er freute sich über das schlechte Wetter, über die beiden Schlammklumpen an seinen Sohlen. Und ein ganz klein wenig nahm er, als er sich an Max vorbeiquetschte, nun doch von dessen Problemen Notiz und freute sich noch etwas mehr.
Wie von Max vermutet hatte der Regen den Lindwurmweg hinauf zur Ruine tatsächlich in einen nicht ungefährlichen Untergrund verwandelt, Rufus aber konnte dies in keiner Weise anfechten. Mit einer Leichtigkeit, die Max, immer wenn er sie ertragen musste, an Betrug erinnerte, zog Rufus sich an einer Wurzel einfach an den beiden vorbei und kletterte senkrecht den Hang hinauf, als gäbe es weder Schwerkraft noch lose Steine oder Nässe. Max’ Augen stritten noch um einen gemeinschaftlichen Ausdruck; in einem Auge Neid, im anderen Bewunderung. Rufus aber registrierte weder das eine noch das andere. Rufus kletterte, Maiskys Cello trug das Kind nach oben und Mutter begleitete ihr Kind. In Gedanken längst in dem sogenannten Raum , ahnte er, dass sich am Ende alles wohl doch wieder nur als ein großer Witz herausstellen würde. Wenn es hier oben ein wirkliches Geheimnis gäbe, hätte man es längst entdeckt. Soweit er wusste gab es Menschen, die ihre gesamte Freizeit und ziemlich viel Geld in die Erforschung solcher Plätze wie diesem hier steckten, manche suchten nach Gold und Edelsteinen, andere nach Ruhm. Vielleicht machte es ihnen aber auch einfach nur Spaß, wer wusste das schon so genau? Fest stand für Rufus jedenfalls, dass es hier nichts zu entdecken geben konnte und schon gar nicht für Typen wie Alex und Max, der eine mit dem Gehirn einer Stubenfliege ausgestattet (Wenn er ein etwas größeres Exemplar verschluckt, hat er mehr Hirn im Magen als im Kopf, haha!) , der andere so fett, dass man ein ganzes Dorf in Afrika einen Monat lang von ihm ernähren könnte; so hatte es jedenfalls einmal ein Zehntklässler im Schulbus ausgedrückt, als Max im Gang zwischen Schülern und Schultaschen eingeklemmt nicht mehr vor oder zurückkam und hinter ihm eine lange Schlange entstand, die bis auf den Gehweg raus reichte. Der Zehntklässler hatte in Max’ Hinterteil getreten und das mit Afrika gesagt und dass man Max ja als Entwicklungshilfe verschiffen könnte. Rufus behielt den Vergleich im Kopf, was dazu führte, dass er immer an Afrika denken musste, wenn er Max schwitzen und nach Luft ringen sah. Zehn kleine Negerlein sitzen um einen großen Kessel und aus diesem Topf schaut wer heraus? Rufus zog sich an einem Mauervorsprung nach oben und lächelte. Er setzte sich, ließ die Beine baumeln und schaltete die Musik ab. Er konnte Max sehen, Max also auch ihn und Rufus wusste, dass dieser immer wieder zu ihm heraufsah und so schmeckte das Wasser aus seiner Flasche gleich noch einmal so gut, kam ihm die Melodie, die er pfiff, beinahe fehlerfrei über die Lippen.
Aber, man sieht sich eben immer zweimal im Leben und manchmal ganz kurz hintereinander. Vom Ballast seines Rucksacks befreit, schaffte es schließlich auch Max auf den alten Burghof. Im Vorbeigehen gab er Rufus’ auf dem Mauersims stehenden Wasserflasche einen
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