Apfeldiebe
hinter den Behältnissen nach Füßen oder Händen, einem Gesicht, sein Freund aber stand noch immer im Gang, betrachtete die Truhe und sah abwechselnd zu Max und zurück. »He! Gibt’s dich noch oder hat das hier«, Max tippte sich an die Braue, »irgendwas bei dir da oben durcheinandergebracht?«
» Ich denke nach«, sagte Alex.
» Oh, ganz was Neues. Und worüber denkst du nach?«
Alex räusperte sich. »Ich überlege, was die beiden wohl gemacht haben. Was die gedacht haben.«
» Na was schon? Sie haben die Hosen gestrichen voll, sind weggerannt und haben da halt ein paar Hindernisse eingebaut, damit wir sie nicht so schnell kriegen. So haben sie ihren Vorsprung vergrößert.«
» Und was, wenn sie gar nicht weggelaufen sind?«
» Hä?«
» Was, wenn sie nur wollen, dass wir das denken?« Wieder wanderte Alex’ Taschenlampenstrahl in den zurückliegenden Raum.
» Und wo sollen sie dann sein?« Max konnte sich einfach keinen Reim auf Alex’ Worte machen. Wenn sie nicht hier zwischen oder hinter den Fässern vor Angst schlotterten und auch nicht durch einen der beiden Ausgänge da rausgelaufen waren, wo sollten sie dann sein? In Luft aufgelöst haben konnten sie sich ja wohl schlecht. Das wollte er seinem Freund gerade sagen, als der sich umdrehte und Max aufforderte ihm zu folgen. Er ging zur Treppe nach oben und stellte den dreibeinigen Schemel in den Gang.
» Du bleibst hier«, befahl er und deutete auf den Schemel.
» Und warum bitte schön?« Max freute sich zwar, dass die Sucherei an ihm vorübergehen sollte, trotzdem hätte er das Warum gern verstanden. Alex drückte Max auf den Sitz und stellte sich neben ihn, zwei kreisrunde Lichter wanderten durch den Raum.
» Die könnten sich hier irgendwo versteckt haben«, hörte Kasi Alex’ Stimme. Kasis Finger krallten sich um seine Taschenlampe. Ganz langsam zog er die Beine noch ein Stück weiter an. Sein Herz klopfte, er spürte jeden einzelnen der viel zu schnellen Schläge und wunderte sich, dass Alex und Max das nicht auch hören konnten. Hinter seinen zusammengepressten Augenlidern tanzten Sterne und Lichtblitze. Warum hatte er nur mitgemacht?! Er könnte zu Hause sitzen, im Garten vielleicht auf seiner Bank, mit einem Buch in der Hand. Er könnte von Abenteuern in verwunschenen Schlössern lesen , könnte mit den Helden mitfiebern ohne selbst ein Held sein zu müssen, ohne selbst in Gefahr zu geraten!
» Wär aber ziemlich blöd hier zu bleiben anstatt sich da hinten irgendwo zu verstecken.« Bitte Max, bitte überzeuge Alex weiterzugehen! Geh einfach los und widersetz dich seinem Befehl! Kasi faltete die Hände um seine Lampe und betete. Aber entweder hörte gerade niemand zu oder es sollte eben so sein, vorherbestimmt , wie Kasis Mutter gesagt hätte; Alex erklärte seinem Freund, dass da oben schließlich nur Timi wartete und wenn sie beide zusammen weiter in den Berg hineingingen und die Opfer sich hier versteckten, könnten die in aller Seelenruhe nach oben steigen, Timi überwältigen oder auch einfach nur links liegen lassen und verschwinden. Deshalb sollte Max hier bleiben.
» Die beiden sind ziemlich link, hast du ja eben gesehen.« Kasimir vermutete, dass Alex jetzt in den Gang leuchtete. Kasi musste trotz seiner Angst lächeln. Vorhin, bei Alex’ Schreien und dem ganzen Lärm der beiden, hatte er sich zum allerersten Mal als richtiger Sieger gefühlt. Sicher, in der Schule erlebte er das ziemlich oft, aber eine solche Auseinandersetzung hier war halt doch etwas anderes als mal wieder die beste Note der ganzen Klasse zu bekommen. Das hier, also Spiele, die beinahe schon an Abenteuer grenzten, zählte nicht zu seinen Stärken, umso mehr freute er sich über diesen kleinen Etappensieg. Allerdings hatte sich dieses trügerische Hochgefühl bei Alex’ Wutgeschrei in Luft aufgelöst und als er nun hören musste, wie Alex nicht nur seinen Plan durchschaute, sondern auch schon eine Art Rückversicherung ersonnen hatte, hämmerten die Herzschläge in seinen Ohren jede Zuversicht aus dem Jungen. Entweder finden sie uns und dann gnade uns Gott oder aber sie warten einfach so lange, bis einer von uns beiden nicht mehr liegen und kauern kann und aufgibt . Und Max überwältigen? Der Gedanke reichte nicht einmal mehr für ein Lächeln.
» Ich warte also hier, sonst nichts?« Kasi hörte die Erleichterung in Max’ Stimme und wusste, dass der sich über die unerwartete Ruhepause freute. Vielleicht bricht ja der Schemel unter ihm zusammen?
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