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Apfeldiebe

Titel: Apfeldiebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tietz
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musste, desto deutlicher spürte er jeden einzelnen dieser Steine. Kasi versuchte sich ein klein wenig zu bewegen, was alles aber nur noch verschlimmerte, denn mit jedem Anspannen seiner Arme und Beine, mit jedem tiefen Luftholen drückte er die Staubschicht weiter auseinander und befreite so Steinchen um Steinchen. Eines drückte gegen Kasis Schläfe. Er bog den Kopf zuerst nach hinten, drückte ihn gegen den Kessel und schob so Staub und das störende Steinchen nach vorn. Mit den Störenfrieden an Schulter und Hüfte ging dies aber nicht so einfach, denn dazu hätte er seinen gesamten Körper bewegen müssen und davor hatte er Angst. Sein ganzes Gewicht zu verlagern konnte den Kessel zum Schwanken bringen und selbst wenn Max’ Taschenlampe in diesem Moment vielleicht gerade eine andere Stelle anleuchtete, ein schwankender Kessel verursacht Geräusche und Max war vielleicht dick und dumm, aber eben leider nicht taub.
    Kasi dachte an Rufus und wie der seit zehn Minuten – wenn man Max trauen durfte – in seiner Ecke hockte. Ihm mussten mittlerweile die Beine eingeschlafen sein, anzunehmen, dass er sie kaum noch spürte. Kasi kannte dieses Gefühl, er aber hatte bisher dann immer aufstehen und ein paar Schritte gehen können, bis seine Beine, die sich ganz taub anfühlten, zuerst kribbelten, schmerzten und schließlich wieder zurückkamen, sozusagen ausgeschlafen hatten. Befand sich Rufus also nicht in einer viel schlimmeren Lage? Wahrscheinlich schon, dachte Kasi, was die störenden Steinchen aber keineswegs weniger störend machte, ganz im Gegenteil. Der eine, der unter seiner Hüfte lag, pikste plötzlich viel mehr als gerade eben noch. Er veränderte sich, schien zu wachsen. Auch wenn der Junge wusste, dass dies natürlich unmöglich der Fall sein konnte, er empfand es aber so. Nur eine Bewegung, nur ein einziges Mal hin und her rutschen und danach wieder ganz, ganz still liegen. Vielleicht schlief Max ja schon?
    Kasi versuchte, seine Konzentration weg von den störenden Steinchen hin zu den Geräuschen zu lenken, die Max verursachte, aber der gab keinen Laut von sich. Das Summen und Klopfen hatte nach dem kurzen Wortwechsel mit seinem Bruder nicht wieder eingesetzt. Schlief er vielleicht wirklich? Hoffnung entzündete ihr Licht. Aber wenn er schlief, musste doch sein Atem zu hören sein! Kasi hielt die Luft an und lauschte. Nichts, rein gar nichts, nur ein immer lauter werdendes Rauschen in seinen Ohren, ein Rauschen, das an- und abschwoll, Max aber verhielt sich still. Er schlief. Er schlief, aber eben nicht auf dem Rücken liegend und mit offenem Mund wie letztes Jahr beim Dorffest, als Max nach drei Steaks und zwei großen Gläsern Cola ein abgeschiedenes Plätzchen gesucht und hinter dem Festzelt gefunden hatte, eingeschlafen war und mit offenem Mund Geräusche von sich gegeben hatte, die seine Abgeschiedenheit frühzeitig beendet und ihn für den Rest des Abend zum Gespött des Dorfes gemacht hatten. Jetzt schlief er bestimmt auch, aber eben im Sitzen, die Arme auf die Knie gelegt und den Kopf auf diesen Armen. Die Taschenlampe lag wahrscheinlich zwischen seinen Füßen und leuchtete quer durch den Raum. Kasi sah Max ganz deutlich, sah sogar, wie sich dessen Rücken hob und wieder senkte und wieder hob. Max schlief. Und das Steinchen hatte sich inzwischen zu einem Stein entwickelt, einem Stein mit spitzen, scharfen Kanten und diese Spitzen und Kanten wuchsen immer noch weiter und drückten sich durch Kasis Fleisch, mussten jeden Augenblick Knochen erreichen. Nur eine einzige Bewegung. Nur eine.
    Kasi atmete dreimal tief durch, dann hielt er die Luft an.

    Alex nahm sich Zeit. Wie ein Raubtier schlich er zwischen den Fässern umher, bückte sich, leuchtete in die hintersten Winkel, aber immer umsonst, hier steckten die Gesuchten nicht. Selbst als er auf einen der Vorratsbehälter kletterte, konnte er von dieser erhöhten Warte aus nichts weiter entdecken, überall nur Spinnweben, Staub und in den zurückliegenden Jahrhunderten von der Decke geworfene Schuppen. Ja, genau so sah es hier oben aus, wie auf den Schultern eines Riesen, der unbedingt einmal etwas gegen die Probleme auf seinem Kopf unternehmen sollte.
    Auch in den beiden anschließenden Räumen fanden die Augen des Raubtieres keinen einzigen Hinweis auf seine Beute. Nichts, rein gar nichts. Schon am Zugang zu diesen sehr kleinen Räumen, in denen sich im ersten überhaupt nichts und im zweiten nur ein paar zerbrochene Tongefäße befanden, wusste

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