Apfeldiebe
den Achtjährigen.
» Lass sofort Kasi los!«, brüllte Rufus und hielt den einen Kopf Kleineren wie ein Schild vor sich. Der aber zeigte wenig Begeisterung für diese Art Spiel. Er trat Rufus auf die Füße, schlug die Ellenbogen nach hinten. »Halt still! Ich tu dir doch nichts«, flüsterte Rufus Timi ins Ohr, aber statt sich über diese Botschaft zu freuen, warf dieser nur den Kopf nach hinten und traf Rufus am Kinn.
Als Max sah, dass der Schwarze nun nicht einmal mehr vor einer Geiselnahme zurückschreckte, ließ er das Mädchen Mädchen sein. Jetzt hört der Spaß auf, sagten seine Augen, bei Timi hörte der Spaß auf. Ganz langsam durchquerte er den Raum, gab dem Kessel einen Tritt. Unter seinem Fuß zersplitterte Rufus’ Lanzenstiel. Den Kopf gesenkt und beide Fäuste schlagbereit vor der Brust, näherte er sich. Es durfte viel passieren, sehr viel sogar, aber das hier nicht. Timi durfte nichts geschehen, weder zu Hause noch hier.
Rufus sah die Gefahr kommen, sie näherte sich wie eine im Schritttempo anrollende Dampfwalze, allerdings eine Dampfwalze mit leerem Führerstand. Nichts würde Max aufhalten. Alex hatte sich inzwischen ans andere Ende des Raumes zurückgezogen und hielt Kasimir ebenso vor sich wie Rufus Timi. Aber Kasi wehrte sich nicht, niemand stand vor Alex und bedrohte ihn.
» Hört auf!«, schrie Rufus in einem letzten Versuch, dieses ganze Theater hier doch noch wie normale Kinder zu beenden, aber weder Alex noch Max wollten normale Kinder sein. Oder sie definierten diesen Zustand eben anders. Alex lächelte, er wusste, dass Max mit diesem Schwarzen da gleich kurzen Prozess machen würde. Und Max? Den trennten jetzt nur noch wenige Schritte von seinem kleinen Bruder und dessen Entführer. Nur noch drei Schritte, zwei …
Rufus stieß seine Geisel weg. Timi stolperte, noch immer um sich schlagend, in die ausgebreiteten Arme des großen Bruders. Rufus sah dem Kleinen nach und fühlte sich einen kurzen Augenblick wie ein Zuschauer, fremd, als gehöre er gar nicht wirklich dazu. Fünf Taschenlampenkegel erhellten die ganze so seltsame Szenerie bruchstückhaft, offenbarten nicht das Ganze sondern nur kleine Ausschnitte, die, jeder für sich genommen, irreal wirkten, in ihrer Gesamtheit zu einem absurden Bild verschmolzen: Alex’ Lampe strahlte gegen Max’ Rücken, was diesem aus Rufus’ Sicht etwas Übernatürliches verlieh, jedenfalls solange Rufus ihn nicht von vorn beleuchtete und alles Übernatürliche in die dicke Realität zurückverwandelte. Kasis Lampe lag am Boden und zeichnete einen Vollmond an die Wand, während sich die Lampen der beiden Brüder, nun endlich wieder glücklich vereint, gemeinsam gegen den Feind, den schwarzen Mann wandten. Nein, hier hatte er nichts zu suchen!
» Rufus, hilf mir!«
Max schob seinen Bruder zur Seite und ging auf den Feigling zu.
» Ja, Mann, schnapp ihn dir«, feuerte Alex an und auch Timi stimmte mit ein. Er klatschte in die Hände, Kasi weinte …
» Ihr könnt mich mal«, schrie Rufus, ging rückwärts, bis sein Absatz die erste Stufe erreichte. Dort drehte er sich um und rannte nach oben. Er packte seinen Rucksack und folgte den durch Blätter und Zweige hereinfallenden Leitstrahlen, kletterte über Schutt und Steine und verschwand. Max kletterte ihm nach und sah gerade noch die Fußsohlen des Flüchtenden Richtung Freiheit verschwinden.
» Der Feigling ist abgehauen«, rief Max nach unten. »Wirklich toller Freund.« Er sah ihm ein paar Sekunden nach als erwartete er, dass Rufus’ Gesicht noch einmal zurückkäme, aber nichts dergleichen geschah. Ein paar Steine kullerten ihm vor die Füße und als sie zum Liegen kamen, erinnerte nichts mehr an den Schwarzen.
Max’ Taschenlampe streifte auf dem Weg zu den anderen den eigenen Rucksack und kam sofort zu diesem zurück. Auf der Stelle vergaß er den schwarzen Ritter. Er hatte Durst, einen Riesendurst und Hunger. Er hätte auf der Stelle ein halbes Schwein vertilgen können.
» Max! Komm, hilf mir!«
» Gleich.« Max stopfte sich einen Muffin in den Mund, wollte noch einen zweiten hinzufügen, aber Alex’ erneuter Ruf hielt ihn davon ab. Mit der Colaflasche in der Hand rutschte er über die Geröllzunge zur Treppe und weiter in Raum zwei.
Kasi lag inzwischen wieder am Boden, von Widerstand keine Spur. Sein Weinen hatte sich in der Zwischenzeit in leises Schluchzen verwandelt. Kasimir hieß der Verlierer und Kasimir wusste dies. Alex saß rücklings auf dem Mädchen.
» Und? Wo ist
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