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Apfeldiebe

Titel: Apfeldiebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tietz
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Er wollte nicht sterben, niemals, und er wollte nicht mit einem aufgeblähten Bauch hier liegen und aussehen wie die Kühe und die Kinder in Afrika.
    » Das Einzige, was wir machen könnten …« Alex zögerte.
    » Ja?«
    » Wir könnten versuchen, die Steine vom Eingang wegzuräumen.«
    » Aber?«
    » Rufus liegt da drunter.« Schweigen.
    » Jetzt geht’s mir besser!« Max stieß seinem weinenden Bruder die Fußspitze in die Seite. »Rück mal.« Max wollte nicht neben dem Mädchen sitzen. Er ließ sich auf den Boden sinken, atmete dabei gut hörbar aus und streckte die Beine von sich. Er wirkte zufrieden, erleichtert und wollte so gar nicht hierher passen. Gefangen, einer von ihnen tot und Max legte sich seinen Rucksack unter den Kopf und schloss die Augen – ein Bild purer Zufriedenheit.
    » Also«, Kasimir räusperte sich, »dann befreien wir jetzt Rufus und legen ihn dort vorn irgendwo ordentlich hin?« Max setzte sich auf.
    » Kannst du das?«, fragte Alex. Beim Gedanken, eine Leiche anzufassen, und sei es auch nur die des schwarzen Ritters, drehte sich ihm der Magen um. »Ich weiß nicht, ob ich …«
    » Aber ich weiß es!« Max’ Zufriedenheit flatterte davon. »Was soll jetzt der Käse wieder?«
    » Kasi hat schon recht«, sagte Alex. »Wenn wir uns selbst befreien wollen, müssen wir erst einmal den, den …«
    » Rufus.«
    » Ja, den Rufus ausgraben. Das ist vielleicht unsere einzige Überlebenschance.«
    » Es ist auf jeden Fall das Einzige, was wir selbst tun können. Die Alternative hieße hier sitzen und abwarten.«
    » Und was wäre daran so verkehrt? Wenn wir da vorn anfangen rumzubuddeln, riskieren wir nur, dass noch einer von uns verschüttet wird oder einen Stein auf den Kopf kriegt. Wollt ihr das?«
    Kasimir sah zu Boden und Timi schniefte und wischte sich mit dem Handrücken die Nase ab. Alex dachte über Max’ Worte nach; der hatte mit seinen Bedenken nicht ganz unrecht, allerdings kannte Alex Max inzwischen so gut, dass er die eigentlichen Beweggründe – Faulheit, Angst, sich die Hände schmutzig zu machen – hinter den angeblichen Argumenten erkannte. Vielleicht wäre Max am nächsten oder übernächsten Tag bereit, selbst mit anzupacken, dann, wenn die Wirklichkeit endlich in seinen dicken Schädel gedrungen wäre, wenn er richtigen Hunger bekäme und Durst, wie er ihn noch nie im Leben ertragen musste. Wenn er kapierte, dass oben niemand nach ihnen grub. Vielleicht musste der Freund erst abwarten, Alex aber wollte dies nicht. Er gehörte nicht zu denen, die eine Aufgabe Aufgabe sein ließen und nichts taten außer zu hoffen, dass ihnen irgendwer schon die Arbeit abnehmen würde. Vater tat dies nie und sein Sohn auch nicht. Nein, wusste Alex und setzte sich aufrecht hin, er wollte nicht abwarten. Auch wenn die Vorstellung, diesen toten Rufus anfassen zu müssen, ein ganz unangenehmes Gefühl in Alex’ Magengegend zauberte, es musste getan werden. Sein Entschluss stand fest.
    » Also, ich gehe jetzt vor und fange an, den Dreck zur Seite zu schaffen. Wer macht mit?« Kasis gesunder Arm schnellte in die Höhe. Auch Timi setzte sich jetzt auf.
    » Untersteh dich.« Max’ Stimme ähnelte einem knurrenden Straßenköter und Timis Hände verschwanden zwischen seinen Knien, als müsse er sie festhalten, damit sie keinen Blödsinn anstellten, sich erhoben, sich gegen den eigenen Bruder stellten und dieser dann den Händen zeigen musste, wer hier das Sagen hatte.
    » Ihr könnt ja nachkommen, wenn es euch langweilig wird.« Alex nahm seine Lampe und verschwand. Kasi ging ihm nach und, wie Max mit zwei weinenden Augen feststellte, auch dessen Trinkflasche. »Lasst das Licht nicht die ganze Zeit an«, sagte Alex am Ausgang. »Das brennt nicht ewig.«

    Kasimir folgte Alex zwischen die Fässer. Aus dem Nachbarraum schlug ihnen eine von Max hinterlassene Wolke entgegen.
    » Schade, dass keine Türen drin sind«, sagte Alex. Dann blieb er stehen, als fiele ihm gerade etwas noch Wichtigeres ein. »Geht es bei dir?« Kasi verstand nicht.
    » So schlimm stinkt es nun auch wieder nicht.«
    » Ich meine mit deinem Arm! Geht’s damit?«
    Kasimir hob seinen rechten Arm und betrachtete die Wunde. Schorf klebte da, wo eigentlich Haut sein sollte und an Schulter und Hals des Kindes war angetrocknetes Blut zu sehen. Die Wunde selbst sah aber, soweit Kasi das beurteilen konnte, ordentlich aus. Kein Eiter lief heraus, nur die Ränder hatten sich stark gerötet. Kasi bewegte den Arm, hoch, wieder runter,

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