Apocalypsis 1 (DEU)
erfüllen, für die du mich ausersehen hast. Hilf mir, nicht zu verzagen. Hilf mir, der Versuchung zu widerstehen. Und hilf all denen, die deiner Gnade würdiger sind als ich. Heilige Maria voller Gnaden, ich bitte dich. Amen.«
Sie drehte den Rosenkranz in den Händen und ertappte sich erneut bei einem Gedanken, den sie später würde beichten müssen. Verärgert über sich selbst richtete sie sich auf und rief sich zur Ordnung. Sie machte sich einfach Sorgen um ihn, daran war nichts auszusetzen, immerhin befolgte sie damit nur Don Luigis Anweisungen. Dennoch dachte sie seit Sizilien immer öfter an ihn. Dort war seine coole, selbstsichere Attitüde von ihm abgefallen und hatte einen Blick in den Menschen Peter Adam eröffnet. Und was sie dort gesehen hatte, hatte ihr gefallen.
Maria setzte sich jetzt ganz auf und gestand sich ein, dass sie sich Sorgen um ihn machte. Große Sorgen. Er hatte eine furchtbare Vision gehabt, gemeinsam hatten sie möglicherweise ein furchtbares Geheimnis gelüftet, dass nie wieder das Licht des Welt hätte erblicken dürfen. Den ganzen Tag über hatte sie weder von Peter noch von Don Luigi etwas gehört. Um den Pater machte sie sich keine Sorgen. Don Luigi war kein Mann, um den man sich Sorgen machen musste. Er war derjenige, der jedem Dämon in den Arsch trat und ihn in die Hölle zurück beförderte.
Dieser alberne Gedanke hob Marias Stimmung und sie entschloss sich, Peter anzurufen und sich zu erkundigen, wie es ihm ginge. Da war nichts dabei.
Sie schaltete ihr Handy, das Don Luigi ihr gegeben hatte, wieder ein und drückte Peters Nummer, die sie auswendig kannte. Noch so eine Anweisung des Paters. Aber es meldete sich nur die Mailbox. Maria hinterließ keine Nachricht und dachte nach. Irgendwo in ihrem Kopf spürte sie ein vertrautes dumpfes Pochen. Im Busch hatte es ihr immer drohende Gefahr signalisiert.
Maria beschloss, die Klosterregeln erneut empfindlich zu verletzen und noch einmal auszugehen. In diesem Moment klingelte ihr Handy. Sie erschrak und blickte auf das Display. Keine Rufnummer. In der erleichterten Erwartung, dass es Peter sein würde, nahm sie den Anruf an.
»Schwester Maria?«
Unbekannte, männliche Stimme. Es hätte Peter sein können, aber da schwang noch eine Schärfe und Kälte mit, die Maria über die Entfernung hinweg frösteln ließ.
»Wer ist da?«
»Nennen Sie mich Pater Nikolas. Ich bin ein Freund von Don Luigi. Er bat mich, Kontakt mit Ihnen aufzunehmen. Es geht um Ihren Freund Peter Adam.«
»Er ist nicht mein Freund!«, beeilte sie sich festzustellen. »Aber was ist denn mit ihm?«
»Don Luigi glaubt, dass er in Gefahr ist.«
Maria umkrampfte den Hörer fester. »Sprechen Sie bitte weiter.«
»Pater Luigi bittet sie, ihn in der Pilgerkirche Santa Croce in Gerusalemme zu treffen. Kennen Sie die Kirche?«
»Ja. Aber warum ruft Don Luigi nicht selbst an?«
»Aus gewissen Gründen ist es im Moment nicht ratsam für ihn, mit Ihnen telefonisch in Kontakt zu treten. Können Sie in einer Stunde dort sein? Es ist sehr wichtig.«
»Natürlich.«
»Sehr gut. Ach, und noch etwas. Der Monsignore bittet Sie, das Relikt aus der päpstlichen Wohnung mitzubringen. Sind Sie noch in seinem Besitz?«
»Ja. Eines der Relikte.«
»Welches? Das Amulett?«
»Ja.«
»Sehr gut. Bringen Sie es unbedingt mit.«
Damit legte der Anrufer auf.
Einen Moment blieb Maria noch nachdenklich sitzen und lauschte dem Pochen in ihrem Kopf, das sich zu einem dumpfen Trommeln verstärkt hatte. Die Gefahr war irgendwo da draußen. Aber ihre Anweisungen waren eindeutig.
»Heilige Mutter Gottes, hilf mir, das Richtige zu tun!«, stieß sie hervor. Dann griff sie in die Schublade ihres Nachttisches, wo das blassblaue Amulett lag.
XXV
12. Mai 2011, Rom
E r kommt wieder zu sich.«
Eine Stimme aus der Dunkelheit. Englisch mit amerikanischem Tonfall.
»Mr. Adam? Können Sie mich hören?«
Jemand riss ihm den Kopf hoch. Wabernde Schlieren durchbrachen die Dunkelheit. Schemenhafte Bewegung.
»Geben Sie ihm noch einen Moment, dann fangen wir an.«
Eine zweite Stimme. Weiblich. Englisch mit undefinierbarem Akzent.
»Mr. Adam!«
Auf die Dunkelheit folgte Übelkeit. Übermächtig. Peter erbrach seinen gesamten Mageninhalt in einem Schwall. Die Säure im Hals ließ ihn würgend zucken. Aber immerhin lichtete sich das Dunkel weiter und die Schlieren sortierten sich allmählich zu einem Bild, das sich beunruhigend auf und ab bewegte. Ein Raum. Zwei Gestalten.
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