Apocalypsis 3 (DEU): Collector's Pack. Thriller (German Edition)
inzwischen längst gelandet, der Kardinal konnte sonstwo sein. Anselmo versuchte, Kaplan anzurufen, damit der seine tollen Mossad-Kontakte spielen ließ, aber der Großrabbiner war nicht zu erreichen. Überhaupt schien das gesamte Rabbinat zu dieser nächtlichen Stunde wie ausgestorben, und die beiden blassen jungen Orthodoxen im Büro nebenan, die man ihm als Unterstützung oder Bewachung zugewiesen hatte, taten so, als verstünden sie kein Englisch. Anselmo ahnte schon den Grund. Sie mochten keine Jesuiten in alten Jeans und verwaschenen T-Shirts mit dem Schriftzug jesus is not bogus.
»Leute, ist mir total egal, was ihr von mir haltet, aber ihr habt eure Anweisungen, und hier geht es um Leben oder Tod! Ich muss mit dem Großrabbiner sprechen, und zwar jetzt gleich.«
Sie sahen ihn nur an beziehungsweise durch ihn hindurch, und beugten sich wieder demonstrativ über ihre Bücher. Fluchend zog sich Anselm in sein Büro zurück und konzentrierte sich auf seine beiden anderen Probleme. Maria zu finden hielt er im Augenblick für aussichtslos, außerdem suchte der Orden bereits nach ihr. Anselmo versuchte daher, sich vorzustellen, wie Santillana das Buch Dzyan in der kurzen Zeit, die der Papst in seinem Arbeitszimmer mit Nakashima telefoniert hatte, entwendet haben konnte. Der Papst war sich sicher gewesen, dass außer ihm niemand die Kombination des Safes kannte. Wie hatte Santillana den Safe dann geöffnet? Anselmo bedauerte jetzt, dass es im Apostolischen Palast keine Überwachungskameras oder Wanzen mehr gab. Dafür hatte Papst Johannes Paul III. schon während seiner ersten Amtszeit gesorgt, nachdem Mitschriften vertraulicher Gespräche an die Presse lanciert worden waren. Anselmo überlegte, wie viel Zeit der Dieb gehabt hatte, um unbemerkt in die Bibliothek zu gelangen, den Safe zu öffnen, wieder zu schließen und unbemerkt zu verschwinden, während der Papst nur zwei Räume weiter mit Nakashima telefonierte. Anselmo malte sich alle möglichen Szenarien aus, eines komplizierter als das andere. Am Ende blieb nur die Erklärung übrig, die ›Ockhams Rasiermesser‹ ihm lieferte, ein Sparsamkeitsprinzip der Forschung, demzufolge von allen möglichen Erklärungen desselben Sachverhalts immer die einfachste Erklärung allen anderen vorzuziehen sei - so ungeheuerlich sie auch sein möge. Und die einfachste Erklärung war eben, dass der Papst das Buch selbst aus dem Safe genommen hatte. Fragte sich nur, warum der Papst daraus einen angeblichen Diebstahl konstruierte. Um von sich selbst abzulenken? Wen? Was, wenn der Trick nicht funktionierte? Dann waren der Papst und auch er selbst in größter Gefahr. Nervös knetete Anselmo seine Finger, unfähig, sich weiter auf seine Arbeit zu konzentrieren. Er fragte sich ohnehin schon die ganze Zeit, wo der Papst so lange blieb, kontrollierte nervös zum x-ten Mal sein Handy und entschloss sich schließlich, den Papst einfach anzurufen. Immerhin hatte er, Pater Anselmo, vor kaum zwei Wochen noch ein kleiner jesuitischer Computernerd im vatikanischen Getriebe, nun die Privatnummer des Papstes. Weil, Leute, hey, wir müssen schließlich die Apokalypse verhindern! Er fasste es immer noch nicht wirklich. Wenn er allerdings ein zweites Mal darüber nachdachte, wünschte er sich nur sein altes Leben zurück. Und das von Bruder Bonifatio.
Nach dem fünften Klingeln sprang die Mailbox des Papstes an.
»Hinterlassen Sie bitte eine Nachricht mit Ihrem Namen.«
Kein Name, keine Begrüßung. Anselmo unterbrach die Verbindung sofort und fragte sich auf einmal, ob der Anruf womöglich ein Riesenfehler gewesen war, da seine Nummer nun in der Anrufliste auftauchte. Er musste sich zwingen, seine paranoiden Phantasien abzuschütteln und sich wieder auf seinen Computer zu konzentrieren. Er dachte verzweifelt an das wunderbare, perfekt ausgestattete Lagezentrum von Nakashima Industries, keine zehn Gehminuten von der Großen Synagoge entfernt, und überlegte, ob er Yoko Tanaka anrufen sollte. Doch genau das hatte der Papst ihm untersagt, und er hatte mit Sicherheit gute Gründe dafür. Blieb nur noch eine sehr eigenmächtige und riskante Option. Anselmo überlegte einen Augenblick, dann schickte er eine verschlüsselte SMS im üblichen Jargon an einen Hacker in Jerusalem, den er von einer Konferenz und gelegentlichen Chats kannte und für vertrauenswürdig hielt. Ein sehr guter Hacker. Ein sehr gut aussehender Hacker. Einziges Problem: Amal Chalid war Palästinenser.
>hey amal!
>i’m in j.
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