Apocalypsis 3.08 (DEU): Orixàs. Thriller (Apocalypsis 3 DEU) (German Edition)
seine Anspannung nicht anmerken zu lassen und sich auf die Zeremonie zu konzentrieren, die bereits in vollem Gange war. Laurenz erkannte die Yalorixá sofort. Mãe Tereza war eine beeindruckende alte Frau von ozeanischer Erscheinung, in rosa Pantoffeln, einem billigen weißen Tüllkleid und einem weißen Turban, behängt mit Goldschmuck und Ketten aus Kaurimuscheln. Alles an ihr - ihre Haltung, ihre Haut, jede ihrer Bewegungen – wirkte königlich und magisch. Sie tanzte vor dem großen Opferaltar zum Klang der Trommeln auf der Stelle und sang dazu in einer unverständlichen Sprache.
»Das ist Ketu , die rituelle Sprache des Candomblé«, erklärte Sophia. Laurenz spürte, wie sich ihm die Nackenhaare aufstellten.
Der Opferaltar war überbordend geschmückt mit Kerzen, billigem Plastiktinnef, Heiligenfigürchen, blumengeschmückten Spielzeugpuppen, geschlachteten weißen Tauben und Opferschalen mit vorgekochtem Essen, darunter eine bunte Torte. Dazwischen Unmengen kosmetischer Artikel, Duftflakons, pastellfarbige Seifen und Räucherwerk gegen die Mücken. Die Luft war getränkt von einem atemberaubenden, süßlichen Gestank. Die Mitte des Altars regierte eine in Gold gewandete, große schwarze Madonnenfigur und eine grob geschnitzte afrikanische Gottheit aus Ebenholz. Und die ganze Zeit über, ohne Pause oder irgendeine Veränderung des Rhythmus, gewitterte der Lärm der Congas über den Hof, wälzte sich über die Menge der Gläubigen und presste sich zwischen sie. Laurenz spürte, wie das Dröhnen der Trommeln jede Faser seines Körpers ergriff, ihn ganz und gar durchdrang. Der Rhythmus kam ihm vor wie etwas Lebendiges, ein eigenständiges Wesen, das durch den Hof wütete, den Leib erschütterte und völlige Unterwerfung einforderte. Laurenz bemerkte, dass er eine Gänsehaut hatte. Das Denken fiel ihm schwer in dieser aufgeladenen Atmosphäre, er brauchte alle Kraft, um sich gegen die Macht der Trommeln zu wehren. Die Gläubigen wehrten sich nicht. Die meisten zuckten bereits im Takt, andere dagegen kauerten apathisch auf dem Boden. Neben Sophia kippte eine Frau stocksteif zu Boden, wie ein gefällter Baum. Die Mädchen, die Sophia und Laurenz empfangen hatten, kamen sofort, bedeckten die Frau mit einem weißen Laken und trugen sie wie ein Brett hinaus. Die Gläubigen applaudierten ernst.
»Alles sehr afrikanisch«, rief Sophia gegen den Lärm der Trommeln an. »Man weiß nie, wen die Götter erwählen. Nur die Trommler sind rituell immun. Muss auch so sein. Ohne Trommeln keine Trance.«
Laurenz nickte nur und versuchte, sich in ihrer Nähe zu halten. Er konnte die Wärme ihres Körpers spüren, die im Rhythmus der Trommeln neben ihm pulsierte. Ein Mann erhob sich aus der Menge, skandierte fremdartige Bantu-Gesänge, warf sich zuckend in die Menge und brach dann ebenfalls in Trance zusammen. Ein anderer wurde von einem Weinkrampf geschüttelt. Eine schwangere Jugendliche kippte mit Schaum vorm Mund kopfüber von einer Bank.
»Da hast du deine eucharistische Magie!«, rief ihm Sophia zu. »Diese Besessenen sind jetzt die Götter selbst. Da können deine Hostien und dein Leib-Christi-Hokuspokus nicht mithalten, was?«
»Ich dachte, du hast es nicht so mit Magie?«, rief Laurenz zurück, den Mund dicht an ihrem Ohr. Sie lachte nur. Ihre grünen Augen glühten. Niemand schien anzunehmen, dass er und Sophia nur zum Zuschauen gekommen seien. Eine Plastikschale mit Rosenblättern wurde herumgereicht, auch Laurenz musste sich eine Handvoll nehmen, um seine favorisierte Gottheit damit zu bewerfen. Er entschied sich für Orunmila, den Bewahrer der Harmonie und des Gleichgewichts der Weltordnung. Als ihm ein Teller mit gegrillten Fleischstücken und Bananen gereicht wurde, lehnte er dankend ab. Dann aber sah er, wie eine der weiß gekleideten Filhas do Santo mit einer Plastikflasche herumging wie auf der Suche nach jemandem. Zwischendurch blieb sie stehen, nahm einen kleinen Schluck und prustete dem Gläubigen vor ihr die hellbraune Brühe ins Gesicht. Als sie Laurenz entdeckte, hielt sie kurz inne und reichte ihm dann die ganze Flasche.
»Finger weg!«, hörte er Sophias Stimme neben sich, ignorierte sie jedoch. Er tat, was er tun musste. Die Hitze, der Lärm der Congas, der süßliche Gestank der Mückenspiralen und Duftseifen, der hypnotische Ketu -Gesang der Yalorixá befreiten ihn von letzten Skrupeln. Mit einer raschen Bewegung ergriff er die Flasche und nahm einen kräftigen Schluck. Neben ihm fluchte
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