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Apocalyptica

Apocalyptica

Titel: Apocalyptica Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Graute
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lief, weg von seiner Mutter.
    Isabella blieb verwundert stehen. „Naphal? Was ist denn? Freust du dich nicht, mich zu sehen?“
    „Willst du mich bestrafen? Ich will nicht wieder eingesperrt sein. Ich gehe nicht zurück unter die Erde.“ Der Junge hatte die Unterlippe trotzig vorgeschoben und die kleinen Hände zu Fäusten geballt.
    „Ach Naphal. Sei bitte nicht albern. Ich werde dich nicht bestrafen, auch wenn dir eigentlich der Hosenboden strammgezogen gehört. Du hast uns einen gehörigen Schrecken eingejagt. Schau, sogar Nestor hat sich für dich ein paar neue Kratzer zugezogen.“
    Auf sein Stichwort hin trat Nestor vor und spielte den freundlichen Onkel, indem er Naphal zuzwinkerte und auf den verschorften Schnitt hinwies, den er sich bei der Suche nach dem Jungen zugezogen hatte. Naphal jedoch ließ sich von den schauspielerischen Fähigkeiten seines Onkels nur wenig beeindrucken. Immerhin hatte die Ablenkung lange genug angehalten, um Isabella näher an ihren Sohn herankommen zu lassen. Schnell wie eine Viper stieß sie vor und umfasste Naphals Arm mit eisernem Griff. „So, es reicht. Ich habe genug von deinen Spielchen. Die Leute sind müde, und ich bin es auch. Wir gehen heim.“
    Doch Naphal dachte nicht daran, sich so einfach ausschalten zu lassen. Wie ein Aal wand er sich im Griff seiner Mutter und schrie: „Ich gehe nicht wieder zurück, ich will nicht wieder eingesperrt sein.“
    Mit einem heftigen Tritt gegen das Schienbein seiner Mutter lockerte sich der Griff um seinen Arm, und er kam frei. Instinktiv versuchte der Junge, so viel Distanz wie eben möglich zwischen sich und seine Mutter zu bringen, die lauthals fluchend und auf einem Bein hüpfend von ihren Leuten umringt war, die versuchten, der Situation so wenig Beachtung wie eben möglich beizumessen. Isabella wusste jedoch genau, dass ihr Versagen im Umgang mit ihrem Sohn genügend Redestoff für die nächsten Wochen darstellen würde.
    Für Naphal jedoch endete die Flucht vor seiner Mutter direkt in den Armen zweier Männer, die nicht den Eindruck machten, von seinen Tritten in die Knie gehen zu müssen. Doch der Entschluss des Jungen stand fest. Er würde nicht wieder unter die Erde gehen.
    Etwas regte sich in Naphal, etwas, das er schon einmal gespürt hatte. Etwas Beängstigendes, das kein Teil von ihm war, aber doch zu ihm gehörte. Es schnürte ihm die Eingeweide zusammen, es wand und drehte sich in ihm, dass ihm kalter Schweiß ausbrach. Wie durch einen Schleier konnte er seine Mutter erkennen, die zornig auf ihn zukam. Alle Geräusche um ihn wirkten gedämpft und gedehnt. Das Blut in seinen Adern pulste überlaut in seinen Kopf. Die schallende Ohrfeige Isabellas war nur ein fernes Echo. „Wo bist du, stummer Engel? Wo bist du, wenn ich dich brauche?“, dachte der Junge in aufsteigender Panik. „Was geschieht mit mir?“
    Die Welt stürzte in tiefdunkles Rot. Flirrende Schatten jagten durch Naphals Blickfeld. Schreie dehnten sich ins Unendliche. Der Junge wollte sich ängstigen, aber es gelang ihm nicht. Alles um ihn herum war fremd und falsch, entstellt und bizarr. Doch er spürte – nichts. Dann überfluteten ihn Erinnerungen. Gedanken, die nicht die seinen waren und so ungeheuerlich, dass kein menschlicher Geist sie erfassen können sollte. Sie brannten sich in Naphals Innerstes, füllten es bis zum Bersten und darüber hinaus, weiteten, dehnten, verbogen es, und aus dem Chaos sprach eine Stimme zu dem Jungen: „ICH BIN DER ANFANG UND DAS ENDE.“
    In einem Moment absoluter Klarheit antwortete Naphal: „Ich bin die Urmacht und die Veränderung. Ich bin das Chaos und die Wandlung. Ohne mich kann kein Leben sein. Du kannst mich nicht binden.“

    Isabella konnte sich nicht regen. Sie hörte Schritte nahen, und ein Schatten breitete sich über ihr Gesicht. In den letzten Strahlen einer sinkenden Sonne konnte sie die Umrisse eines Engels ausmachen. Sein Körper war bedeckt von schillerndem Metall, das ihn in eine lebende Rüstung zu hüllen schien. Dennoch hätte sie das Antlitz unter Tausenden wiedererkannt. In der aufkommenden kalten Abendbrise raschelte das Gefieder des Engels und erzeugte einen hohen, singenden Ton wie ein stählernes Windspiel. Es fiel der Diadochin schwer, die Lippen zu einem Wort zu formen. Dennoch nahm sie diesen letzten Kampf auf sich. „Du? Wieso?“
    In einem rasselnden, unmenschlich scheppernden Ton antwortete der Engel: „Weil es sein muss. Die Menschen müssen endlich frei sein. Sieh, was es mit

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