Apocalyptica
Einspruch erheben wollen, sich dann aber doch eines Kommentares enthalten. Bei genauerer Betrachtung gab es nichts gegen einen solchen Dienst einzuwenden.
Je weiter sich die kleine Reisegesellschafft dem Zentrum der Stadt näherte, desto bewusster wurde ihnen, dass etwas nicht stimmte. Rodez galt als Tummelplatz für Händler und Reisende auf dem Weg nach oder von Iberia. Wie Cahors oder Bezieres war die Stadt eine der Lebensadern der Iberer zum Festland. Doch was einst als schlichter Umschlagplatz für Waren und Güter gedient hatte, barst jetzt vor Templern und ihrem Tross aus allen Nähten.
„Was geschieht hier?“ Lâle sah sich erstaunt um, bis ihr Blick an den Zügen des Wanderers haften blieb.
„Das sind die Boten der letzten Schlacht, Schwester von Engeln. Sie ziehen in den Krieg.“
„Wie meinst du das? Willst du mir sagen, wir ziehen in den Krieg? Mit einem Kind? Meinem Kind?“
Der Wanderer sah Lâle beinahe mitleidig an. „Ich dachte, das hättest du inzwischen begriffen. Als ich dir von der Endzeit berichtete, dachte ich, dir sei klar, dass ein Krieg bevorstünde.“
Auf Lâles Gesicht begann sich Verzweiflung auszubreiten. „Ja, schon. Aber ich …“ Sie verstummte. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Natürlich war ihr klar gewesen, dass es eine Konfrontation geben sollte, doch jetzt, wo sie all die waffenstarrenden Menschen in ihren Rüstungen erblickte, wurde ihr zum ersten Mal wirklich bewusst, dass die Gefahr greifbar und keine ferne Möglichkeit war.
„Kommt. Lasst uns sehen, ob wir eine Überfahrt bekommen“, unterbrach der weibliche Engel in ihren Reihen die aufkommende Stille. „Keine Sorge, Menschenfrau, ihr Krieg ist nicht der unsere. Wir nutzen nur dasselbe Schlachtfeld.“
Niemand achtete auf die Neuankömmlinge, waren doch die meisten, die Lâle auf den Straßen und in den engen Gassen Rodez ’ ausmachen konnte, Fremde wie sie. Sie konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, wie sie es bewerkstelligen sollten, unter den gegebenen Umständen eine Überfahrt nach Iberia zu bekommen. Schon unter normalen Bedingungen wartete man oft tagelang, bis man eine Passage erhielt, doch in diesem Fall schien es unmöglich, dass die sechsköpfige Reisegesellschaft einen Platz auf einem der Schiffe erhielt. Selbst wenn sie die Überfahrt vor Monaten gebucht hätten, ging das Militär jetzt vor. Lâle sah keine realistische Chance auf ein Weiterkommen.
Schawâ interessierte sich nur mäßig für solche Probleme. Nach wie vor taten ihr die Füße weh, und ihr Magen knurrte lauter als ein Wolf auf der Jagd. Als sie in die Hafengegend kamen, hatte ihre Ama ein Einsehen mit ihrer Tochter und besorgte ihr etwas zu essen.
Der Wanderer und seine Begleiter drängten nicht zur Eile, daher gönnte auch Lâle sich ein karges Mahl, das, wie sie fand, maßlos überteuert war, sowie eine kurze Ruhepause. Die vier Wanderer, wie Lâle ihre Begleiter in Gedanken stets nannte, da es ihr schwer fiel, sie Engel zu nennen, gesellten sich zwar zu ihr und ihrer Tochter, aßen jedoch selbst nichts. Die dunkelhaarige Frau fragte sich schon seit Tagen, ob sie überhaupt je aßen oder ob ihnen menschliche Nahrung vielleicht gar nicht bekam. Lâle beschloss, den Gedanken nicht weiterzuführen. Sie war zu müde. Kaum hatten sie es sich in der schäbigen Gastwirtschaft bequem gemacht, die nur aus einem löchrigen Dach aus Segeltuch und ein paar Stühlen und Tischen aus dürftig zusammengezimmertem Treibholz bestand, erschien ihr dieser Ort in Anbetracht dessen, was ihre Reise ihnen bislang geboten hatte, wie ein prachtvolles Quartier. Ihre Lider wurden immer schwerer, und die aufgeregten Stimmen der Gäste an den übrigen Tischen erschienen Lâle wie ein Strom rauschenden Wassers, das sie ins Land der Träume trieb.
Lâle schreckte hoch und bereute sofort ihre hastige Bewegung. Sie musste tatsächlich eingeschlafen sein, und auf dem unbequemen Stuhl hatten sich ihre Muskeln so verkrampft, dass nun jeder einzelne Knochen und jede Sehne in ihrem Körper schmerzten. Schawâ hatte den Kopf in ihren Schoß gebettet und war offenbar noch erschöpfter als ihre Mutter gewesen, denn sie schlief selig und bemerkte die hektische Bewegung Lâles nicht einmal. Zärtlich verlagerte sie den Kopf ihrer Tochter und versuchte, sich in eine angenehmere Position aufzusetzen, scheiterte dabei jedoch kläglich. Der Wanderer war verschwunden, und auch die anderen Männer in seinem Kielwasser hatten sie allein gelassen. Nur der
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