Apocalyptica
somit eine höhere Instanz an die Stelle der Congregatio Fidei treten muss.“
„Es gibt keine höhere Instanz, außer Seiner Heiligkeit und Gott persönlich“, fuhr Kardinal Jorolph de Ruiter dazwischen. Aus den Reihen der Mitglieder des Konsistoriums folgte zustimmendes Murmeln.
„Falsch!“ Die Antwort der Em folgte, noch bevor ein weiteres Mitglied des Konsistoriums zum Sprechen ansetzen konnte. „Die Erzengel stehen auf derselben Stufe wie Seine Heiligkeit.“
„Doch sie sprechen nicht zu den Menschen“, warf Kardinal Velja in den Raum.
„Aber Gabriel spricht zu mir. Daher steht es mir zu, an seiner statt und in seinem Namen Recht zu sprechen.“ Die hochgewachsene alte Frau straffte sich, als wolle sie mit dieser Geste ihren Anspruch unterstreichen.
„Das ist ungeheuerlich! Indiskutabel und anmaßend!“ Kardinal Johannes zu Gemmingen hielt nichts mehr auf seinem Stuhl. „Ihr habt Euch den Zeitpunkt der größten Schwäche der Angelitischen Kirche ausgesucht, um den Aufstand zu proben. Während die anderen Orden im fernen Iberia gegen das Gezücht des Widersachers anrennen, stellt Ihr absurde Anschuldigungen auf, um Euch das Zepter des Pontifex Maximus unter den Nagel zu reißen. Ihr seid die Verräterin, und ich schuldige Euch meinerseits und im Namen der Congregatio Fidei an und stelle Euch unter Arrest. Wachen, ergreift die Ketzerin!“
Nichts geschah. Keine Wache im Kongregationssaal rührte sich, was nicht zuletzt daran lag, dass es sich ausschließlich um Gabrielis-Templer handelte. Zu Gemmingens Unterkiefer bebte, und sein Gesicht glich einem Dampfkochtopf, der zu explodieren drohte. Aus seinem Gesicht war alle Beherrschung, die ihn sonst als Politiker und geübten Staatsmann auszeichnete, gewichen.
„Gut, nachdem wir diesen Punkt geklärt hätten, rufe ich den ersten Zeugen auf.“ Auf eine Geste Em Susats öffnete sich erneut das große Doppelportal zum Ratssaal, und zwischen den starken Armen zweier Gabrielis-Templer hing schlaff Seine Heiligkeit Pontifex Maximus Petrus Secundus.
Bei dem Anblick, den der blutüberströmte Körper des Pontifex bot, hielt es mit Ausnahme des behinderten Nullo niemanden auf seinem Sessel. Rufe wie „Blasphemie“ und „Wahnsinn“ hallten durch die hohe Halle. Selbst die Em machte den Eindruck, als sei sie von dem Anblick, der sich ihr bot, verblüfft. Schnell jedoch hatte sie sich wieder im Griff und ging gemessenen Schrittes auf den Pontifex zu, der auf die Knie gesunken auf dem Boden des Ratssaals kauerte.
Als die Em vor dem Oberhaupt der Angelitischen Kirche in die Knie ging, um seinen Kopf zu heben, knirschte ihre Rüstung. „Verzeiht, Eure Heiligkeit. Meine Männer haben anscheinend meinen Befehl zu wörtlich genommen. Ich werde sie entsprechend für ihren Eifer maßregeln.“
Die zugeschwollenen Augen des Pontifex suchten den Blick der Em, doch wenn er ihr etwas mitteilen wollte, dann war es Susat unmöglich zu erkennen, was er meinte.
„Würdet ihr mir eine Frage beantworten, Eure Heiligkeit?“ Die Em stützte weiterhin mit der behandschuhten Hand den Kopf des ramponierten Würdenträgers. Ein kurzes Ächzen entrang sich der Kehle Seiner Heiligkeit.
„Seid Ihr Seine Heiligkeit, Pontifex Maximus Petrus Secundus?“ Eine seltsame Stille legte sich über den Saal und alle Anwesenden. Niemand wagte zu atmen, und alle Blicke waren auf die seltsame Szenerie im Zentrum der Halle gerichtet.
„N-nein.“
Kapitel 10
1. Januar 2094
Log 2094.01.01>>> Neujahrstag. Seit Tagen halten uns Sturm und Unwetter gefangen. Die Wellen erreichten heute Nacht ihre bislang höchste Amplitude. 16,75 Meter und steigend. Sind hier nicht länger vor dem Unwetter sicher. Ziehen uns in den Keller zurück und verlassen uns auf die Technik.
Leuchten am nördlichen Polarkreis nimmt an Intensität zu. Schicken Sonde, sobald wir ein geeignetes Zeitfenster finden. Norton, Wojciech, Lee und Bengart sind immer noch da draußen. Haben die Suche abgebrochen. Das Wasser steigt zu schnell.
--- Übertragungsprotokoll senden ---
--- Übertragung abgebrochen ---
--- Neuer Versuch in 15 Sekunden ---
--- Übertragung abgebrochen ---
--- Neuer Versuch in 15 Sekunden ---
…
2664
A uriel stand hoch erhobenen Hauptes auf der windumtosten Schwebeplattform hoch über der Küste Cordovas. Ihr akkurat geschnittener goldblonder Schopf flackerte wie eine ersterbende Flamme im Wind, der ständig die Richtung wechselte. Die schlanke Michaelis-Lanze, das Würdenzeichen des
Weitere Kostenlose Bücher