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Apokalypse auf Cythera

Apokalypse auf Cythera

Titel: Apokalypse auf Cythera Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
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des Rasierapparats und färbte es um. Das Mittel in mehreren Farben hatte er von Baudelaire mitgenommen.
    Er genoß die Wohltat eines warmen, duftenden Bades. Er vergaß die Schmerzen und konzentrierte sich auf die Gegenwart. Er sah ein, daß er alles andere als ein »Agent« oder »Spion« war, denn ihm fehlte jegliche Kaltblütigkeit des Professionellen. Er eignete sich nicht dazu, denn er besaß übergenug Skrupel.
    »Nur noch einige Tage ...«, murmelte er.
    Er verließ das Bad, änderte die Bemalung seines Körpers und machte sich dann über seine Kleidung her. Währenddessen studierte er die Möglichkeiten jener sieben nächsten Schritte.
    Er schlief irgendwann ein und wachte auf. Ein strahlender, heißer Tag erwartete ihn, als er aus der Tür mit dem zerborstenen Fenster hinaus auf die kleine Terrasse trat.
    Dann machte er sich auf den Weg nach Proxime Bocca.

 
8.
     
    Die Anzeigentafel über dem Öffentlichen Turm der kreisrunden Plaza zeigte folgende Zahlenkombination an:
    141:11:15:45
    Ihara schlenderte langsam unter dem ausladenden Bäumen dahin, klimperte unternehmungslustig mit den Schlüsseln und freute sich. Zwei Tage Pause, das bedeutete bei diesem Wetter zwei Tage Bräune, Schwimmen, Ruhe und Entspannung. Vielleicht auch einen ergiebigen Flirt. Nach diesen zwei Tagen würde Ree sie wieder abholen und mit ihr zusammen die Planung des Programms weitertreiben. Sie beide befanden sich an höchst prominenter Stelle innerhalb der Verantwortlichkeit, und die grimmige Entschlossenheit, mit der sie ihre Aufgaben wahrnahmen, war nichts anderes als der Ausdruck ihrer Zufriedenheit. Sie fanden diese Welt in Ordnung, und sie würden die Form der Rache, die Cythera gewählt hatte, auskosten. Die gesamte besiedelte Galaxis würde aus diesem Präzedenzfall ein Denkmal der Beschämung in den Herzen und Gewissen ihrer Individuen machen müssen.
    Sie erreichte die Mole und sah das Boot mit seinem auffallend hohen Mast schon von weitem. Die RIGEL schaukelte leicht in den kurzen Wellen. Es war nicht viel Betrieb.
    Ihara ging auf den schwimmenden Steg hinaus, kauerte sich auf die Hacken und betrachtete das Boot. Sie war eine ausgezeichnete Seglerin, und ein Ausflug nach Desaster Island würde einen guten Anfang für den Tag bilden.
    Als sie sich aufrichtete, die Tasche mit der Ausrüstung auf das federnde Mittelstück zwischen den beiden leichten Schwimmern warf und sich umdrehte, sah sie den Mann. Er schien aufmerksam zu ihr herüberzublicken. Er lächelte zurück; sie mochte sein Haar. Es sah gut aus – weiß und golden gestreift. Sie sprang hinunter und begann, am Boot zu hantieren. Der Mann stand auf, warf seinen Zigarettenrest ins Wasser und kam näher. Er lehnte sich gegen den kunststoffumkleideten Poller und grinste breit.
    »Etwas wenig Wind für eine riskante Fahrt!« sagte er und sah zu, wie sie das Rigg klarmachte und den Inhalt der Tasche auf die verschiedenen eingebauten Fächer verteilte.
    »Wer sagt ihnen, daß ich es riskant möchte?« gab sie lächelnd zurück.
    Der Mann sah aus wie eine Darstellung der trunksüchtigen Armut aus einem ironischen Bildwerk. Seine leichten Stiefel waren mit dicken Nähten und Ziernieten überreich geschmückt, die Hose trug zwei breite Farbstreifen an den Seiten, sah hinreißend gewollt ungepflegt aus und war unten ausgefranst wie ein Teppich aus der Zeit vor der Apokalypse. Das Hemd, hochgekrempelt und am Bauch zusammengeknüpft, schien hochmodern und teuer, aber wurde mit bestechender Sorglosigkeit strapaziert. Wohlwollen, Selbstsicherheit und eine Spur provozierender Frechheit gingen von dem Mann aus.
    »Ich glaube, Sie wollen es riskant«, sagte er. »Sie machten den Eindruck, als wollten Sie einen Felsen umwerfen, als Sie vorhin über die Plaza gingen. Kann ich Ihnen mit der Großschot helfen?«
    Sie blickte auf einen abgesplitterten Fingernagel, steckte den Finger in den Mund und sagte schließlich:
    »Hat man Sie der Überkorrektheit bezichtigt? Sie dürfen mir helfen!«
    Er sprang vorsichtig auf einen der Schwimmer.
    »Sie meinen, weil ich dieses Zeug anhabe? Ich kenne mich ein bißchen aus. Aber in meiner Jugend fuhr man mit einem weniger simplen Block.«
    »Das meine ich«, erwiderte Ihara. »In Ihrer Jugend – geben Sie nicht so an!«
    Er half ihr, das Boot startklar zu machen. Dieser Mann, der wie ein Tramp aussah, roch nach einem exquisiten Rasierwasser. Sie wußte es, weil Ree dasselbe benutzte.
    »Ich gehöre zu den Menschen«, erklärte er und richtete

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