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Apollofalter

Apollofalter

Titel: Apollofalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Neugierig traten die beiden näher und sahen zu ihm hoch.
    »Ein Schieferbrocken. An dem klebt Blut – und ein paar Haare.« Frankensteins Hände begleiteten gestenreich seine Rede. »Damit könnte er ihr den Schädel eingeschlagen haben. Allerdings ist die Spurenlage alles andere als eindeutig.«
    »Und der umgestürzte Pfahl und die abgebrochenen Reben? Meiner Meinung nach sind das Kampfspuren«, ließ der lange Norbert verlauten, während er sich über den kurzgeschorenen Schädel strich.
    Frankenstein hob die Schulter. »Spekulieren nutzt nix, das muss alles genau überprüft werden.«
    Francas Blick wanderte zu der Dornenhecke. Kein schützendes Nest, in dem es sich gut schlafen lässt. Aus diesem Schlaf wachst du nicht mehr auf, kleine Hannah. Du bist in ein Niemandsland gefallen, nicht in einen weichen Schoß.
    Aus den Augenwinkeln beobachtete Franca, wie das Mädchen in einen Zinksarg gelegt und durch die geöffnete Heckklappe des Leichenwagens geschoben wurde, der mittlerweile ebenfalls eingetroffen war.
    Etwas in ihr weigerte sich standhaft, an ein Verbrechen zu glauben. Einem so jungen Kind durfte man so etwas einfach nicht antun. Obwohl sie durch ihre langjährige Arbeit nur allzu genau wusste, wozu Menschen imstande waren, klammerte sie sich an dem Gedanken fest, dass es in diesem Fall anders war. Es musste einfach eine Schwelle geben, die man nicht überschreiten durfte. Weil das Nachdenken über solch eine Tat Löcher in die Seele fraß. Besonders dann, wenn man eigene Kinder hatte. Ganz davon abgesehen wäre es für die Eltern wesentlich erträglicher zu wissen, die Tochter war nicht durch ein Verbrechen ums Leben gekommen, sondern durch einen unglücklichen Sturz.
    Sicher würde sich bald herausstellen, dass der Schieferbrocken keine Mordwaffe war. Sie war unglücklich gestürzt, hatte im Fallen den Stützpflock umgeworfen und war dann den Hang hinabgerollt. Genau, so musste es gewesen sein. Ein Unfall, kein Mord.
    Um das zu beweisen, musste Schritt für Schritt nachvollzogen werden, was geschehen war.
    Zwei Männer, die die Absperrung passieren wollten, wurden von uniformierten Polizisten aufgehalten. Franca ging zu ihnen hin. Stellte ihnen die üblichen Fragen. »Wo kommen Sie her? Wo waren Sie in den letzten Stunden? Haben Sie etwas Ungewöhnliches bemerkt?«
    Die beiden, offenbar Vater und Sohn, sahen sich ratlos an. Der Vater sprach gebrochen Deutsch. Der Sohn kannte allenfalls ein paar deutsch klingende Worte. Beide waren hager und trugen karierte Flanellhemden über ihren Jeans. Franca versuchte zu erklären, was passiert war. Auf den betretenen Gesichtern las sie ab, dass sie nicht viel verstanden von dem, was hier vorging.
    »Wir nichts gesehen«, sagte der Ältere immer wieder mit Nachdruck. »Wir arbeiten. Dort in Weinberg. Nix gehört. Nix gesehen.«
    Der andere sah sich immer wieder ängstlich um.
    »Alles legal. Kein Ärger mit Polizei.«
    »Wir sind nicht von der Ausländerbehörde«, sagte Franca. Wieder sah der Mann sie fragend an. »Schon gut«, meinte sie resigniert.
    Es war wie bei den drei Affen. Nix gehört, nix gesehen, nix sagen. Immer wieder dasselbe. Egal, ob man die deutsche Sprache beherrschte oder nicht.
    Wie sie das hasste.
     
    Endlich durfte Franca die Turnschuhe und Sportsocken ausziehen. Welche Wohltat für ihre heißen Füße. Barfuß lief sie durch den Flur. Das Lichtchen auf dem Anrufbeantworter blinkte. Georgina. Das war ganz sicher Georgina. Seit dem missglückten Ausflug zur Olympic Peninsula hatte sie sich regelmäßig sowohl bei ihrem Vater als auch bei ihrer Mutter gemeldet. Trotzdem hörte Franca nicht auf, sich um sie Sorgen zu machen. Besonders nach einem solchen Tag. In diesem Moment hätte sie Georgina am liebsten an sich gedrückt, wie sie dies oft getan hatte als sie noch ein süßes Baby war, dem man über die dunklen Löckchen streichen und auf dessen zarte Bäckchen man Küsse drücken konnte. Allerdings hatte Georgina schon ziemlich früh angefangen, zickig auf derlei Liebesbekundungen zu reagieren.
    Franca schaltete den Anrufbeantworter ein. »Sonntag Abend, achtzehn Uhr siebzehn«, schnarrte die blecherne Automatenstimme, die von einer jugendlich-hellen Stimme abgelöst wurde. »Hi, Mammi. Ich bin’s ... Hm, irgendwie echt blöd, dass ich mich jetzt andauernd bei dir und Papa melden soll. Also, hier ist der Rapport: Es geht mir gut. Debbie hat sich wieder eingekriegt. Ich hab versprochen, schön lieb und artig zu sein. Okay so?« Kurze Pause.

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