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Apollofalter

Apollofalter

Titel: Apollofalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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geschleudert.
    »Gibt’s denn irgendwas an dem Stein, das auf den Täter verweist? Fingerabdrücke kann man ja wohl vergessen, oder?« Sie wusste, dass sich Steine denkbar schlecht als Spurenträger eignen. Auf deren Oberfläche ist der Nachweis von Papillarlinien so gut wie unmöglich. Wenn überhaupt etwas erkennbar ist, dann nur verwischte Muster. Als Indizien völlig unbrauchbar.
    »Am meisten verspricht sich Frankenstein von dem Obduktionsergebnis. Schlagfläche und Eindrücke des Steins stimmen jedenfalls mit der Art der Verletzungen überein.«
    »Dann bräuchten wir also nur noch nachzuweisen, dass dieser Kilian der Täter ist. Oder wie siehst du das?«
    Er wiegte den Kopf. »Ich habe meinen Beruf nie als Quizspiel angesehen. Vielleicht ergibt ja auch die Auswertung der Anrufe auf ihrem Handy noch einen anderen möglichen Ansatz.«
    Sie hob die Augenbrauen.
    »Dann haben die noch so ein merkwürdiges Plastikteil gefunden, das sie nicht recht einordnen können.«
    »Was denn für ein Plastikteil?«
    »Sieht aus wie ein Deckel mit Luftlöchern. Und da ist ein Griffteil dran. Na ja, es muss ja nicht unbedingt etwas mit dem Verbrechen zu tun haben.«
    »Ich finde, wir sollten uns jetzt erst mal diesem Kilian widmen.«
    Franca griff nach dem Autoschlüssel und warf ihn Hinterhuber zu.
     
    »Vielleicht hast du ja recht und wir sind wirklich an einen verkappten Humbert Humbert geraten«, meinte Hinterhuber, während er den Dienstwagen, einen Opel Vectra, am Moselufer entlang lenkte. »Fragt sich nur, warum er dann sein Objekt der Begierde umgebracht hat.«
    Franca sah ihn verständnislos an. »Humbert Humbert? Wer soll das denn sein?«
    Er legte den Kopf schräg. »Hast du nie ›Lolita‹ gelesen?«
    »Äh ... nein.«
    »Das ist aber eine echte Bildungslücke.«
    Sie fühlte sich ertappt. Das Buch stand zwar bei ihr zu Hause auf dem Regal, wo es seit Jahren verstaubte. Eine Buchclubausgabe. Sie sah sogar das Cover vor sich. Ein Mädchengesicht mit einer herzförmigen Sonnenbrille auf der Nase. Zwischen den Lippen steckte lasziv ein rosaroter Lolli. ›Lolita‹ war eines von vielen Büchern, in das sie nie hineingeschaut hatte. Die Mitgliedschaft im Buchclub hatte sie irgendwann gekündigt. Weil sie nur selten zum Lesen kam.
    »Ziemlich aufschlussreich, was so einen alten Knacker mit Jungmädchenneigungen betrifft. Und natürlich nicht zu vergleichen mit den primitiven Typen, die sich kleine Mädchen in Thailand oder sonst wo kaufen. Eher der feinsinnige Intellektuelle, aber deshalb nicht minder gefährlich. Humbert Humbert tut alles, um in Lolitas Nähe zu sein. Er heiratet sogar ihre Mutter, obwohl er sie verachtet. Die kommt dann auch noch bei einem Unfall ums Leben, den er verschuldet hat. Danach hat er die Kleine endlich für sich. Aber diese Lolita ist auch nicht ganz ohne. Ein richtiges Biest. Sie heizt ihm mächtig ein mit ihrem koketten Klein-Mädchen-Getue.« Hinterhuber wandte den Kopf. »Und du hast wirklich noch nie was von ›Lolita‹ gehört?«
    »Ach hör doch auf, den Oberlehrer zu spielen«, erwiderte sie ärgerlich. »Klar kenne ich ›Lolita‹. Steht zu Hause auf meinem Regal. Und den Film hab ich auch mal gesehen. Nur war mir im Moment entfallen, worum es da genau ging.« Nach einer Weile fragte sie: »Kannst du mir mal sagen, wieso so etwas Weltliteratur wird? Kinderschänder werden doch sogar unter Kriminellen als das Allerletzte betrachtet.«
    Er hob die Schultern. »Das musst du nicht mich fragen. Ingrid könnte dir da schon eher Auskunft geben. Sie hat Literaturwissenschaft studiert. Sie sagt immer, gute Literatur spiegelt das Leben und lässt uns Erfahrungen in Büchern machen, die wir sonst nicht machen würden.«
    »So, sagt sie«, erwiderte Franca gereizt. Nur zu gern hätte sie hinzugefügt: »Deine Ingrid ist wohl eine ganz Schlaue.« Doch diesen Kommentar verkniff sie sich im letzten Moment. Sie konnte sich absolut nicht vorstellen, welche lebenswichtigen Erfahrungen sie bei der Lektüre von ›Lolita‹ hätte machen können.
    »Ich kann jedenfalls solche alten Säcke nicht begreifen, die sich an Kindern vergreifen. Das Verständnis dafür wird mir ewig fremd bleiben. Da hilft auch keine noch so feinsinnige Literatur.«
    Als sie das Ortsschild von Güls, Hinterhubers Wohnort, passierten, fühlte sie sich wieder an das Gespräch in Hannahs Klassenzimmer erinnert. »Übrigens einer der Schüler, die ich befragt habe, stammt aus Güls«, sagte sie.
    »Wie ist sein Name?«, wollte

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