Apollofalter
führte. Keine schlechte Wohnlage, dachte sie, als sie in eine Seitenstraße einbog und an hübschen und gepflegten Häusern vorbeirollte. Obwohl sie die Festung jeden Tag vor Augen hatte, war sie lange nicht mehr oben gewesen. Allein der atemberaubende Blick auf das Deutsche Eck und den Zusammenfluss von Rhein und Mosel waren es wert, hier heraufzukommen.
Sie suchte nach der Hausnummer 47. Als sie sie gefunden hatte, stellte sie den Wagen am Straßenrand ab und ging ein paar Schritte zu Fuß zurück. Das Haus sah neu und modern aus. An der Haustür hing ein Buchsbaumkranz mit getrockneten Blumen. »Hier wohnen Andrea, Helmut und Inka Weidmann«, war auf einem getöpferten Schild neben der Klingel zu lesen.
Als niemand öffnete, klingelte Franca ein zweites Mal. Dann sah sie die Biologielehrerin ums Haus herum kommen. Die Haare fielen ihr offen auf die Schulter. Wieder bemerkte Franca deren Jugendlichkeit.
»Kommen Sie doch mit auf die Terrasse, Frau Mazzari«, begrüßte sie Franca freundlich. »Bei diesem Wetter ist man froh für jeden Tag, den man draußen verbringen darf.«
Franca folgte ihr durch den gepflegten Garten, den üppige Blumenrabatten säumten.
»Wissen Sie inzwischen mehr über die Umstände von Hannahs Tod?«, fragte die Lehrerin, als sie auf der schattigen Terrasse angekommen waren.
»Wir sind noch mitten in den Ermittlungen«, sagte Franca. »Warum ich zu Ihnen gekommen bin: Mich würde das Projekt interessieren, an dem die vier Schüler zusammen arbeiteten und das sie betreut haben.«
Mit einer Geste bedeutete ihr Frau Weidmann, Platz zu nehmen.
Franca setzte sich. »Wie intensiv war Ihre Betreuung?«
»Sehr viel kümmern musste ich mich nicht«, gab die Lehrerin bereitwillig Auskunft. »Die Schüler haben ziemlich selbständig gearbeitet.« Auf dem Tisch stand ein leeres Glas. »Darf ich Ihnen etwas anbieten? Wasser? Oder lieber einen Kaffee?«
»Da sag ich nicht nein.« Franca lächelte. »Einen Kaffee bitte.«
»Ich bin sofort wieder bei Ihnen.« Frau Weidmann verschwand ins Innere des Hauses.
Franca lugte durch die offene Terrassentür, die in ein gemütlich eingerichtetes Wohnzimmer führte. In einer Zimmerecke stand eine Kiste mit Kinderspielzeug.
Frau Weidmann kam bald mit einem Tablett und zwei Tassen Kaffee zurück. »Die Maschine ist neu«, sagte sie. »Ich bin immer wieder begeistert, wie schnell man solch guten Kaffee brühen kann.« Sie stellte Franca eine Tasse hin.
Franca tauchte den Löffel in die Crema, gab etwas Milch dazu und rührte um. Er schmeckte wirklich sehr gut.
»Was genau wollen Sie denn über das Schüler-Projekt wissen?«, erkundigte sich Frau Weidmann.
»Wann es begonnen hat. Was genau es beinhaltet. Wie die Schüler mitarbeiten. Wie die Aufgaben verteilt sind. Einfach ein paar allgemeine Informationen, damit ich mir besser ein Bild machen kann.«
»Begonnen hat das Projekt vor ungefähr einem Jahr. Ich war damals noch neu an der Schule. Hannah ist auf mich zugekommen. Sie hatte in einer Zeitschrift etwas über einen Wettbewerb gelesen, bei dem Jugendliche zum Mitmachen aufgerufen wurden und meinte sofort, ob man sich da nicht mit einer Gruppenarbeit beteiligen könne. Nachdem wir das Vorhaben innerhalb der Schule publik gemacht hatten, meldeten sich etliche andere Schüler. Das Interesse schien anfangs groß. Zum Schluss sind dann vier Schüler aus Hannahs Klasse übrig geblieben, die drei anderen haben Sie ja kennen gelernt. Ich muss sagen, es handelt sich bei allen um sehr gute Biologieschüler. Damit meine ich solche, die bereit sind, etwas mehr zu leisten als üblich. Die anderen, die anfangs mit dabei waren, verloren das Interesse, als sie merkten, wie arbeitsintensiv so ein Projekt ist.«
»Und wie sah die Arbeit konkret aus?«
»Sie beschränkte sich auf ein bestimmtes Gebiet in der Lage Winninger Uhlen. Ich weiß nicht, ob sie sich dort auskennen?«
»Ich kenne Winningen ganz gut.«
»Ah ja. Dann wissen Sie sicher auch, dass es sich bei dem Uhlen um eine Steillage mit einer fast schon mediterranen Fauna und Flora handelt?«
»Dort fliegt der Apollofalter.« Franca nickte.
»Genau. Ursprünglich ging es in der Arbeitsgruppe nur um den Apollofalter und um dessen Wirtspflanze, weiße Fetthenne oder Sedum genannt. Sie wächst dort in Polstern zwischen Trockenmauern und auf Felsnasen. Ich selbst komme ursprünglich aus Norddeutschland und ich bin immer wieder aufs Neue begeistert von der Landschaft hier mit den vielen Weinbergen. Von
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