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Apollofalter

Apollofalter

Titel: Apollofalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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zubekommen. Das hat Hannah sehr verletzt. Jeder Mensch will doch wissen, von wem er abstammt, oder? Kinder brauchen Väter. Nicht nur Mütter. Außerdem hatte ich den Eindruck, dass die Mutter sich wenig um ihre Tochter kümmerte. Tagsüber arbeitete sie in den Weinbergen und abends war sie oft unterwegs.«
    »Hat sich Hannah darüber beklagt?«
    »Nicht direkt«, gab er zu. »Aber es war aus ihren Bemerkungen herauszuhören, dass sie über all das nicht erfreut war.«
    »Sie sahen sich also als eine Art Vaterersatz für das Mädchen?«
    Er nickte mehrmals. »Ja.«
    Die Polizistin legte den Kopf schief. Sah ihn eindringlich an. »Herr Kilian. Warum haben Sie die Seiten aus Hannahs Tagebuch herausgerissen?«
    Er spürte, wie die Farbe aus seinem Gesicht wich. Wie ein lästiges Ungeziefer kam sie ihm jetzt vor. Eine Zecke, die Blut gerochen hat. Begierig darauf, ihn auszusaugen. Wie hatte er nur glauben können, von ihr eine Chance zu bekommen? Sie hatte ihn längst verurteilt.
    »Was für ein Tagebuch?«, krächzte er und sah an ihr vorbei.
    »Herr Kilian. Sie wissen genau, wovon ich rede. Hannahs Tagebuch lag zwischen Ihrer Schmutzwäsche in Ihrer Reisetasche. Sie wollen mir doch nicht erzählen, dass das jemand anders dort deponiert hat, oder?«
    Er hasste die Art, wie sie das sagte. Sie wusste, dass sie in der besseren Position war. Überhaupt war mit ihr eine Verwandlung vor sich gegangen. Erst Verständnis heucheln und dann zuschlagen. Sie hatte ihn nur ködern wollen. Und er war darauf hereingefallen. Dann vernahm er auch schon den furchtbaren Widerhall in seinem Kopf.
    Du wirst mir doch nicht erzählen wollen, dass du nie was mit kleinen Mädchen hattest? Es gibt Beweise. Es gibt Aussagen. Oder willst du im Ernst behaupten, dass das Mädchen lügt?
    Es würde nie zu Ende sein. Nie. Er schwieg und sah zur Decke.
    »Herr Kilian. Meinen Sie nicht, dass Sie langsam aufhören sollten, uns etwas vorzumachen? Wir haben ein klares Bild von dem, was am Sonntag im Weinberg passiert ist. Die Indizien sind erdrückend. Damit meine ich nicht nur das Tagebuch mit den herausgerissenen Seiten, das wir in Ihrer Reisetasche gefunden haben. Es gibt noch viel mehr, das Sie belastet. Beispielsweise ein Taschentuch in der Nähe des Tatorts, das zweifellos Ihnen gehört.«
    In seinem Kopf brach etwas zusammen. Das Taschentuch! Er musste es verloren haben, als er am Montag früh am Tatort angehalten hatte.
    »Auch alles andere, was Sie uns bisher aufgetischt haben, sind Lügen. Sie arbeiten schon längst nicht mehr an der Mainzer Uni. Weil man Sie dort gefeuert hat. Unter anderem wegen Belästigung Minderjähriger.«
    Er öffnete den Mund, schloss ihn wieder. Wie triumphierend sie das aussprach. Wie überheblich. Es hatte keinen Sinn. Sie war die Siegerin. Und er der arme Wurm, den man am Boden tritt.
    »Auf dem Löwenhof haben Sie dann ihr mieses Spiel weitergespielt.«
    »Nein!«, stöhnte er gequält auf. »Nein, nein, es ist nicht so.«
    »Hannah war keine Jungfrau mehr. Das hat die Obduktion eindeutig erwiesen. Ich denke, wir müssen nicht lange herumraten, wer dafür verantwortlich ist.«
    Sätze, die auf ihn niederprasselten wie Gewehrsalven. »Wir haben außerdem Ihren Laptop konfisziert. Die Kollegen haben noch nicht alles ausgewertet. Aber ich bin sicher, auch dort befindet sich weiteres belastendes Material.« Sie hielt einen Moment inne. »Herr Kilian, wollen Sie uns nicht endlich die Wahrheit sagen?«
     

24
    Franca atmete tief durch, als sie vor das Krankenhaus trat. Sie hasste solche Situationen. Das Wort ›Verhör‹ entsprach zwar nicht mehr dem allgemeinen polizeilichen Sprachgebrauch. Aber wie man die Dinge auch benannte, es war das gleiche Procedere: Sie als der verlängerte Arm der Staatsmacht war dazu angehalten, den Delinquenten auszuquetschen. Auch, dass sich der Delinquent wand wie eine Schlange, war eine nur allzu bekannte Situation. Nur in den seltensten Fällen stand der Mensch zu seinen Taten. Noch nicht einmal dann, wenn man ihm lückenlos nachweisen konnte, dass niemand anderer als er selbst als Täter in Frage kam. Vielleicht leugneten die meisten deshalb so hartnäckig, weil ihnen die vorgeworfenen Taten so ungeheuerlich vorkamen, dass sie sie vor sich selbst nicht eingestehen konnten.
    Sie sah auf die Uhr. Die Biologielehrerin, die sie als nächstes befragen wollte, wohnte in der Nähe der Festung Ehrenbreitstein. Franca fuhr die gewundene Straße hoch, die hinauf zum Stadtteil Ehrenbreitstein

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