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Apollonia

Apollonia

Titel: Apollonia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annegret Held
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Vermögen. So viel hatte auch meine Großmutter Apollonia nicht in der Kaffeebüchse. So viel hatte niemand, den ich kannte. Ich wusste mir keinen Rat. Jim aber schien etwas einzufallen, denn er sprang auf und ging an die Theke, wo noch andere Amerikaner standen.
    Na gut, dachte ich mir und verschwand auf die Toilette und schminkte mich neu und kämmte mir die Haare, und es dauerte nicht lange und herein kam Lydia Kosslowski, um sich die Lippen wieder knatschrosa anzumalen.
    – Hallooo, sagte sie, na?!
    – Hallo, antwortete ich. Warum hattest du letztens die Armbanduhr von Jim?
    – Hä? Ach die war doch am Verschluss kaputt. Da hat er die in der Küche vom Jonnies liegengelassen. Das konntest du ihn aber auch selber fragen.
    – Ach naja, nicht so wichtig.
    – Der hat wohl wieder Probleme, sagte sie. Wenn der die fünfzig Dollar morgen nicht wiedergibt, kriegt der echt die Fresse voll, aber nicht nur von Rick, der Rick hat einen, der ihm hilft.
    Warum wusste Lydia immer alles? Wieso tauchte sie immer dann auf, wenn es irgendwo brannte? Allmählich wurde sie mir unheimlich.
    – Sag mir lieber, wo man so viel Geld herkriegt!!
    – Ist doch ganz einfach.
    – Hä?? Einfach?? Wieso!! Wie denn??!?
    Lydia malte in Ruhe weiter und machte einen Abdruck auf einem Tempotaschentuch.
    – Ich kann ihm das Geld besorgen. Kein Problem.
    – Woher kriegst du denn Geld?
    – Ach, ist nicht schwer, mein Vater ist doch im Eisenhandel, Autoverwertung und so und macht da ganz gute Geschäfte, da muss ich nur vorbeigehen und sagen, Papi, ich möchte mir ’n schickes Kleid kaufen und ein paar Stiefel … oder ich brauch was, … dann klimpere ich mit den Wimpern, … und dann gibt der mir das.
    – Ouh, Lydia …, das wär ein echt feiner Zug!! Aber ich weiß nicht, wie der das zurückzahlen kann, also vom nächsten Sold oder so!
    – Der kann auch aufm Schrott arbeiten … mal ’n Tag, kein Problem …
    Lydia war unbeschreiblich. Der Herrgott hatte sie mir geschickt. Nun war sie schon zum zweiten Mal aufgetaucht wie ein Engel und half uns aus der Klemme. Das musste ich Jim unbedingt erzählen!
    – Ich werde es ihm selber sagen, erklärte Lydia. Er hat mir sowieso gerade eine Asco bestellt. Wir müssen das klarmachen. Am besten gehst du erst mal tanzen. Mal gucken, ob der das überhaupt annehmen kann von mir. Das ist ja auch Vertrauenssache, weißt du. Aber er ist ja auch ein ganz Süßer, ich meine, ich mache das ja nicht für jeden. Tschühüss!!
    Damit verschwand sie und war noch nicht mal austreten gegangen. Ich war mir gar nicht mehr sicher, wie dankbar ich ihr sein sollte. Auf dem Boden lag noch das Tempo mit ihrem verschmierten Lippenstift und ich ließ es liegen. Wenigstens wurde mein Jim nicht verkloppt, das immerhin.
    Man durfte vielleicht nicht immer so schlecht von jemandem denken und einfach tanzen gehen. Denn egal, was die beiden besprechen würden, das Herz am Hals trug schließlich ich, und bald wollten wir nach Heidelberg fahren und Boot fahren auf dem Neckar und auf den Berg hinauf aufs Schloss klettern.
    Meine Mutter fühlte sich in ihrer rosa Kittelschürze so wohl, dass sie sie dauernd trug. Ihr war nämlich immer zu warm, und der Kittel war so schön luftig. Selbst die Haare hatte sie sich luftig hochtoupiert, und ihre Füße steckten in Klapperlatschen. Dass ausgerechnet sie am Feuer stehen sollte, um die Würste umzudrehen, das gefiel ihr gar nicht, weil sie immerzu fürchtete, einmal in der Hitze umzukommen. Deshalb hatten wir den Grill an der »Quelle« aufgebaut. In unserem Garten gab es nämlich ein Loch, in dem ein schwaches Rinnsal die Wiese ein wenig feucht machte, da hatte mein Vater einen hellgrauen Plastikbottich in die Erde gelassen und ein Rohr gebohrt: Das war jetzt die »Quelle«, und es saß sogar ein Frosch darin, und die Katze trank daraus. In der Quelle lagen jetzt auch fünf Flaschen Hachenburger Flaschenbier und fünf Sinalco Cola und zwei Fanta.
    Mein Vater trug kurze Hosen und ein weißes T-Shirt mit grünen Ärmeln und der Aufschrift »Trimm dich« und drehte die Koteletts um und die Würstchen, und oben im Schlafzimmer stand das Fenster weit auf, sodass zumindest der Würstchenduft meine Großmutter Apollonia erreichte, so hatte sie auch was davon. Meine Brüder ließen sich zunächst nicht blicken, weil der eine noch Fahrrad fahren war und der andere alles doof fand, und ich saß allein auf der Wiese und durchlitt einen Alptraum, weil in wenigen Augenblicken Jim erscheinen

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